Zum inflationär benutzten Begriff der Diskriminierung

Wo der Staat schützt, fördert, unterstützt, gibt es automatisch Diskriminiertes. Kein Problem, solange Grundrechte gewahrt bleiben und es politisch gewollt ist. Denn wenn Unterschiedliches der Sache entsprechend unterschiedlich behandelt wird, ist in der Diskriminierung nichts Unmoralisches oder Ungerechtes zu erkennen.

„Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!“ fordert Gastrosuisse heute auf dem Bundesplatz und lanciert die entsprechende Volksinitiative. Lebensmittel sollen im Laden und im Restaurant zum gleichen Satz versteuert werden. Folgender Abschnitt der Pressemeldung lässt eine schwere Ungerechtigkeit vermuten: „Der Verzehr von Speisen und Getränken in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar ist heute alltäglich und für viele Menschen über Mittag sogar unumgänglich. Trotzdem werden die Gäste und das Gastgewerbe durch den Staat bestraft und diskriminiert, denn der Verzehr von Getränken und Speisen wird mit einem Mehrwertsteuersatz von 7,6% belegt. Der Verzehr der gleichen Getränke und Speisen aus einem Take-away-Kiosk oder aus dem Laden wird jedoch nur mit 2,4% besteuert.“

 

Bestraft und diskriminiert bezeichnen sich die Gastronomen, weil sie für ihre Dienstleistungen den Standardsatz von 7.6% berechnen müssen. Weil der Gesetzgeber den Kauf von Lebensmitteln mit dem Sondersatz von 2.4% aus sozialen Überlegungen begünstigen und privilegieren wollte. Obwohl viele Gastronomen auch Hoteliers sind und dort ihrerseits von einem Sondersatz profitieren, der wiederum andere Konkurrenten um die Freizeitbudgets der Konsumierenden benachteiligt. Und somit durchaus positiv diskriminiert werden.

 

Unabhängig vom aktuellen Initiativbegehren der Gastrosuisse, das diskutiert werden muss und das hier nur als Aufhänger dienen soll: Der Staat subventioniert die Landwirtschaft. Sofort sind alle Nichtlandwirte diskriminiert. Der Bund unterstützt Nationalfondsprojekte. Wie ungerecht gegenüber allen Forschungsvorhaben, die nicht in die Kränze gekommen sind! Der Staat betreibt Kulturförderung. Aus Gerechtigkeitsgründen alimentiert er deshalb nun auch die Gameindustrie. Steuerabzüge für Kinder: Diskriminierung aller Kinderlosen! Beiträge an den öffentlichen Verkehr: Diskriminierung der Autofahrer! Alimentierung der AHV: Diskriminierung aller unter 64/65-jährigen!

 

Wo immer der Staat etwas als besonders schützenswert, förderungswürdig, gesellschaftlich erwünscht oder politisch gewollt erachtet und deshalb finanziell unterstützt, subventioniert, begünstigt oder steuerlich entlastet, bleiben andere Dinge aussen vor und kommen nicht in den Genuss der Fördermassnahmen. Viel zu rasch wird heute „Diskriminierung!“ gerufen und damit gemeint: ein unmoralisches, unzulässiges, unfaires oder ungerechtes Herabsetzen oder Herabwürdigen einer Sache gegenüber einer anderen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass verschiedene Dinge unterschiedlich behandelt werden – wie der Begriff „Diskriminierung“ im engeren Sinn und ursprünglich auch bedeutet hat.

 

Bern, den 19. April 2010/nh