Mogelpackung USR III: Nein als Chance für eine gerechte Reform

Mogelpackung USR III: Nein als Chance für eine gerechte Reform

Die Unternehmenssteuerreform III (USR III) ist unausgewogen und ungerecht, sagt Unternehmer Markus Wenger. Sein Nein sieht er als Chance, die notwendige Reform zu verbessern.

Markus, du hältst die Unternehmenssteuerreform an sich für wichtig und unumgänglich – warum braucht es sie deiner Meinung nach überhaupt?

Die Aufgabe der Wirtschaft ist in erster Linie, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen und nicht Steuern zu zahlen. Durch die Besteuerung der Geldabflüsse aus den Unternehmen ist dann der Staat zu finanzieren. Zudem sind in einer globalen Wirtschaft günstige Rahmenbedingungen sehr wichtig.

Du sprachst davon, dass der eigentliche Sündenfall die USR II gewesen sei, die verschiedene Ungerechtigkeiten eingeführt habe. Was konkret lief damals falsch?

Die USR ll brachte eine Privilegierung der Dividenden. Wer mit mehr als 10% an einer Firma beteiligt ist, muss das Einkommen aus diesen Dividenden nur zur Hälfte versteuern. Wenn wir die Unternehmen steuerlich entlasten, muss sichergestellt sein, dass möglichst alle Geldabflüsse einheitlich besteuert werden.

Du wirfst der neuen Reform Steuerungerechtigkeit vor – weshalb?

Es sind vor allem zwei Punkte: Die erwähnte Privilegierung der Dividenden und der Zinsabzug, ohne dass ein solcher Aufwand tatsächlich erfolgt ist. Wenn wir bei der Ermittlung vom steuerbaren Gewinn beginnen, Aufwände in Abzug zu bringen, die gar nie stattgefunden haben, werden wir zur Bananenrepublik und schaffen ein sehr sonderbares Rechtsverständnis.

«Mit dem Zinsabzug werden wir zur Bananenrepublik ­
und schaffen ein sehr sonderbares Rechtsverständnis.»

Die Gegner der Unternehmenssteuerreform III befürchten Steuerausfälle in unbekannter Milliardenhöhe für Bund, Kantone und Gemeinden ähnlich wie bei der Vorgängereform (USR II). Ausfälle, die entweder durch höhere Einkommenssteuern für die Mittelschicht oder durch Sparpakete aufgefangen werden – auf Bundesebene etwa im Bereich Bildung (30%) oder in der Entwicklungszusammenarbeit. Schafft das nicht neue Ungerechtigkeit: Zusätzliche Gewinne für die Konzerne auf Kosten der Mittelschicht und der Schwächeren?

Die USR lll ist in Verbindung mit der USR ll eine Mogelpackung. Bei der USR ll hat man mit dem Argument der Doppelbesteuerung die erwähnte Privilegierung von Dividenden durchgeboxt. (Man argumentierte, der Unternehmensgewinn werde bereits mit der Gewinnsteuer versteuert und dann nochmals bei den Dividenden.) Diese Anpassung hat grosse Mindereinnahmen zur Folge. Zudem ist die 10%- Klausel ungerecht. Mit der USR lll will man nun faktisch die Doppelbesteuerung aufheben, ohne jedoch bei den Geldabflüssen über Dividenden zu korrigieren. Die verbleibende Besteuerung von 10 bis 15% entspricht nun den Sozialabgaben wenn das Geld als Lohn ausgeschüttet wird.

Die Kritiker vermissen jegliche Gegenfinanzierung.

Nach Gegenfinanzierungen wird in den Kantonen krampfhaft gesucht. Mit einer ausgewogenen USR lll, die das Dividendenprivileg abschafft, wäre eine vernünftige Gegenfinanzierung gegeben. Bei einem solchen Modell hätten die Kantone auch die Möglichkeit, bei den Unternehmen und bei den Einkommen Erleichterungen umzusetzen und gleichzeitig würde eine Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft.

«Mit einer aus­ge­wo­ge­nen USR lll,
die das Divi­den­den­pri­vi­leg abschafft,
wäre eine ver­nünf­tige Gegen­fi­nan­zie­rung gege­ben.»

Rund dreiviertel der Dividenden der Konzerne und Aktionäre fliessen offenbar ins Ausland. Extragewinne, die ins Ausland gehen, dafür Steuererhöhungen und Leistungsabbau im Inland, um damit internationale Firmen an der Abwanderung zu hindern. Schädigt man dadurch nicht andere wertvolle Aspekte des Wirtschaftsstandortes wie den Bildungsstandort, die Infrastruktur, den sozialen Frieden?

Genau dieser Punkt zeigt einen problematischen Effekt, der für den Schweizerfranken einen Aufwertungsdruck erzeugt. Mit dem Zinstrick in der USR lll- Vorlage würde dieses Problem wahrscheinlich noch verstärkt. Es würde für grosse Unternehmen interessant, mehr Geld als nötig in der Schweiz zu parkieren um damit Steuern zu sparen. Geld, das als Investitionskapital dringend benötigt würde. Stell dir vor, das Steuergesetz lockt Gelder in die Schweiz und die Nationalbank kämpft mit Minuszinsen und Devisenkäufen gegen die Aufwertung des Schweizerfrankens.

Du hattest dich anfangs dafür ausgesprochen, nun auch die USR III anzunehmen, sie quasi ohne Begeisterung „durchzuwinken“. Inzwischen trittst du für ein entschiedenes Nein ein – was hat dich zum Umdenken gebracht?

Wir brauchen eine Anpassung bei der Besteuerung der Unternehmen. Eine Verweigerung käme uns teuer zu stehen. Anfänglich war ich der Meinung dass man halt gewisse Schwachpunkte in Kauf nehmen muss. Mir wurde jedoch klar, dass ein Nein nicht eine grundsätzliche Ablehnung einer Reform sein muss. Heute ist für mich ein Nein ein zweite Chance für das Parlament, eine verbesserte Revision zu beschliessen.

«Heute ist für mich ein Nein eine zweite Chance für das Parlament,
eine verbesserte Revision zu beschliessen.»

An welchen Punkten müsste die USR III aus deiner Sicht konkret nachgebessert werden?

Die Streichung vom Zinstrick und die Gleichstellung von Dividenden und Löhnen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene sind nötig. Wenn das Parlament mehr tun möchte, wäre ein Pauschalabzug pro Arbeitsplatz für Beeinträchtigte eine sinnvolle Zugabe.

Heizt die USR III nicht den Steuerwettbewerb unter den Kantonen noch zusätzlich an? Basel-Stadt, Genf und Waadt haben bereits fast eine Halbierung der Steuersätze für Unternehmen in Aussicht gestellt?

Der Steuerwettbewerb stösst tatsächlich an Grenzen. In einer Marktwirtschaft ist ein Wettbewerb nur möglich, wenn für die Beteiligten die Rahmenbedingungen ungefähr gleich sind. Bei den enormen kantonalen Unterschieden wäre somit aus ökonomischer Sicht das Wort «Wettbewerb» unzulässig. Der Begriff «gegeneinander Ausspielen» passt viel besser. Über diese Fragen müssen wir uns ausserhalb der USR lll grundlegende Gedanken machen.

Die Befürworter der Reform argumentieren, dass bei einer Ablehnung zehntausende Arbeitsplätze bei den Schweizer KMU gefährdet wären – nur das übliche Totschlagargument oder eine reale Gefahr?

Eine grundsätzliche Ablehnung der Reform wäre tatsächlich ein unverantwortbares Risiko. Eine Rückweisung zur Nachbesserung ist jedoch eine grosse Chance. Auf den Zinstrick können wir verzichten und die Dividendenprivilegierung wird mit dem Wegfall der Doppelbesteuerung hinfällig.

«Auf den Zinstrick können wir verzichten
und die Dividendenprivilegierung wird
mit dem Wegfall der Doppelbesteuerung hinfällig.»

Manch einer fragt sich bereits, ob man Unternehmen, die ausser Steuergewinnen kein Interesse an der Schweiz und ihren Arbeitnehmenden haben, überhaupt im Land will. Ist das für dich als ethisch und sozial handelnder Unternehmer nachvollziehbar?

Ethische Werte sind für die Zukunft unseres Landes überlebenswichtig. Selbstverständlich auch in der Wirtschaft. Auch hier ist eine Abgrenzung der Interessen in der Praxis jedoch oft schwierig. Die Förderung reiner Briefkastenfirmen darf nicht unser Ziel sein.

Würde eine Ablehnung und eine anschliessende parlamentarische Nachbesserung nicht eine Verzögerung um Jahre bedeuten?

Nein, eine Nachbesserung braucht nicht viel Zeit. Es wird erst problematisch, wenn diese Nachbesserung die wesentlichen Ziele verfehlt und erneut das Referendum ergriffen würde.