Knappes Nein zur 1:12-Initiative

Die EVP Schweiz lehnt die 1:12-Initiative ab, weil sie nicht hält, was sie verspricht. Sie stimmt hingegen der Familieninitiative und der teureren Autobahnvignette zu. Dies die Beschlüsse der Delegiertenversammlung von heute Samstag in Frutigen.

1:12-Initiative, Familieninitiative und Autobahnvignette: Zu diesen Vorlagen haben die EVP-Delegierten heute Samstag in Frutigen BE die Parolen bestimmt. Nach einer besinnlichen Einleitung sowie den Grussworten der EVP Frutigen und der Gemeinde Frutigen warb SP-Nationalrat Philipp Hadorn (SO) für die 1:12-Initiative. Künftig solle niemand in einem Jahr weniger verdienen, als der bestbezahlte Manager im gleichen Unternehmen in einem Monat. Mit der Initiative könne man der weit verbreiteten Abzockerei endlich den Riegel schieben. Ganz anders sah dies EVP-Nationalrätin Maja Ingold (ZH): Die Initiative halte nicht, was sie verspreche. Sie stoppe die Lohnexzesse nicht, weil sie sich leicht umgehen lasse. Tieflöhne würden ausgelagert und kämen entsprechend unter Druck. Und wegen der ausfallenden Beiträge an Sozialwerke und Steuern würde auch der Mittelstand mehr belastet. Schliesslich schaffe eine Lohnpolizei nicht mehr Gerechtigkeit und sei nicht die Lösung. Die Errungenschaften unserer liberalen Wirtschaftsordnung – rekordtiefe Arbeitslosigkeit, die guten Löhne und unsere konkurrenzfähigen Firmen – dürften nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Nach intensiver Diskussion liessen sich die EVP-Delegierten von diesen Argumenten überzeugen und beschlossen mit 43 zu 34 Stimmen eine knappe Nein-Parole zur Initiative. Ein Antrag auf Stimmfreigabe wurde mit 46 zu 28 abgelehnt.

 

Nationalrätin Marianne Streiff (EVP, BE) präsentierte anschliessend die Grundzüge der Familieninitiative. Das Parlament hatte 2009 beschlossen, dass Eltern, die ihre Kinder von Dritten betreuen lassen, die nachgewiesenen Betreuungskosten (jedoch höchstens 10‘000 Franken) von den Steuern abziehen dürfen. Die Initiative will nun erreichen, dass Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, ein gleich hoher Abzug gewährt wird. Für Marianne Streiff ist beides unbefriedigend: die Gleichbehandlung, wie sie die Initiative will und die heutige Situation, welche als klare Bevorzugung der Eltern mit fremdbetreuten Kindern empfunden wird. Die Unterscheidung zwischen Fremdbetreuung und Eigenbetreuung sei eigentlich nicht mehr zeitgemäss. Sie habe deshalb im Nationalrat einen Gegenvorschlag erreichen wollen, mit dem die allgemeinen Kinderabzüge für alle Familien erhöht worden wären. Leider drang sie im Parlament damit nicht durch. Anschliessend legten Grossrat Ruedi Löffel (EVP, BE) und Grossrätin Esther Gebhard (EVP, AG) in einem Kurzvotum dar, weshalb sie für bzw. gegen die Initiative sind. Ruedi Löffel warb für ein Ja, weil die Initiative die Wahlfreiheit zwischen Selbst- und Fremdbetreuung erhöhe und die Familien unterstütze. Ein Ja der EVP sei deshalb logisch, auch wenn die mit der Initiative einhergehende Schwächung der externen Familienbesteuerung und das Steuergeschenk nicht in ihrem Sinn seien. Esther Gebhard betonte, der Staat dürfe kein Familienmodell bevorzugen und müsse am Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festhalten. Wie bei allen Steuerabzügen würden überdies vor allem gut situierte Familien vom Abzug profitieren. Die EVP-Delegierten nahmen diese gerechtfertigten Einwände in der Diskussion durchaus zur Kenntnis, beschlossen mit 57 zu 19 Stimmen jedoch eine klare Ja-Parole.

 

Schliesslich präsentierte Nationalrätin Maja Ingold (EVP, ZH) das revidierte Nationalstrassenabgabe-gesetz, welches aus zwei Teilen besteht: Einerseits sollen 390 Kilometer bestehende kantonale Strassen ins Nationalstrassennetz aufgenommen werden. Dadurch entstehen dem Bund Mehrkosten für den Betrieb, Unterhalt und Ausbau dieser Strecken. Um dies zu finanzieren, soll der Preis der Autobahnvignette anderseits von 40 auf 100 Franken erhöht werden. Nun gehöre die EVP nicht zu jenen Parteien, die jeder neuen Autobahn begeistert zustimmen würden, führte Maja Ingold vor den Delegierten aus. Es brauche kein neues Strassenbauprogramm, aber bei der vertieften Beurteilung der Lücken und Engpässe sowie der Nöte der Orte, die davon betroffen sind, könne man kaum alles generell ablehnen. Der höhere Vignettenpreis komme zudem erst dann zum Tragen, wenn die Reserve im Fonds „Spezialfinanzierung Strassenverkehr“ unter eine bestimmte Schwelle fällt. Der Anreiz, zu viel Strassen zu bauen, weil zu viel Geld zur Verfügung steht, werde so zumindest minimiert, so Ingold. Die Delegierten sahen diese ebenso und fassten mit 65 zu 6 Stimmen die Ja-Parole zum Nationalstrassenabgabegesetz.

 

Frutigen, den 24.08.2013/nh