Keine Ausdehnung von Nacht- und Sonntagsarbeit

Die Fristen zweier Vernehmlassungsvorlagen laufen in diesen Tagen ab. Die EVP Schweiz stimmt dem Vorschlag zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit zu und lehnt die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten von Tankstellenshops entschieden ab. Die erste Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative von EVP-Präsident Heiner Studer zurück.

Die Evangelische Volkspartei der Schweiz (EVP) stimmt dem Vorschlag der Rechtskommission des Nationalrates zur Umsetzung zweier parlamentarischer Initiativen für die Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit zu. Erstere wurde vom damaligen Nationalrat und heutigen EVP-Präsidenten Heiner Studer eingereicht. Seine Begründung: „Der EVP ist es ein Anliegen, dass keine Gesetze erlassen werden, welche im Widerspruch zur Bundesverfassung stehen. Dies ist jedoch in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, so beim Stammzellenforschungsgesetz oder auch bei der Unternehmenssteuer­reform II durch die Bevorteilung der Grossaktionäre.“ Mit der vorgeschlagenen Änderung können Bundesgesetze künftig bei ihrer konkreten Anwen­dung – wie Verordnungen des Bundes und kantonale Erlasse auch – von allen Behörden auf ihre Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung überprüft werden. Noch einmal Heiner Studer: „Die Rechtskommission hat damit einen sehr sinnvollen Vorschlag unterbreitet.“  

 

Hingegen lehnt die EVP die vorgeschlagene Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops entschieden ab. Das Arbeitsgesetz ist dem Schutz der Arbeitnehmenden verpflichtet und hat diese vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu schützen. Nacht- und Sonntagsarbeit müssen deshalb die Ausnahme bleiben und das geltende Verbot darf nicht weiter ausgehöhlt werden. Der arbeitsfreie Sonntag ist eine jahrhundertealte Errungenschaft und ermöglicht gemeinsame Aktivitäten in der Familie, dem Freundeskreis, in Vereinen oder der Kirche. Sowohl Sonntags- wie Nachtarbeit haben negative Auswirkungen auf das Sozial- und Familienleben der Betroffenen. Nachtarbeit birgt weiter auch gesundheitliche Risiken. In einer immer hektischer werdenden Zeit darf das Ruhebedürfnis der Bevölkerung nicht dem Profitdenken geopfert werden.  

 

Vor allem in den Städten werden Polizei und Rettungsdienste der 24-Stunden-Gesellschaft und ihren Auswüchsen wie Littering, Vandalismus, Alkoholmissbrauch und Gewaltausbrüchen kaum mehr Herr. Da ist es nicht sinnvoll, das Angebot in der Nacht und am Sonntag weiter auszudehnen. Auch die Abgrenzungsfragen beantwortet die Vorlage nicht wie behauptet, sondern sie stellen sich einfach an einem anderen Ort. So dürfte künftig umstritten sein, welcher Tankstellenshop an einer „Hauptverkehrs­strasse“ liegt und damit die erweiterten Öffnungszeiten für sich in Anspruch nehmen darf und welcher nicht.  

Mit der vorgeschlagenen Änderung wächst der Druck auf die umliegenden Ladenbetreiber, ihre Läden aus Wettbewerbsgründen ebenfalls länger offenzuhalten. Bereits jetzt argumentieren einige Befürworter der Deregulierung, dass Tankstellenshops einen Wettbewerbsvorteil hätten, weshalb die Öffnungszeiten für die anderen Läden liberalisiert werden müssten. Tatsache ist aber: Längere Öffnungszeiten können sich viele der umliegenden Läden gar nicht leisten, da ihr Umsatz nicht entsprechend wächst. Genau aus diesem Grund sprechen sich in vielen Umfragen die Besitzer und Leiter von kleinen und mittleren Geschäften gegen eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten aus. Schliesslich werden mit der Vorlage Tankstellenshops an den Hauptstrassen von städtischen Quartieren und Agglomerationen gefördert. Das bedeutet Mehrverkehr in Wohngebieten und steht im Widerspruch zur Luftreinhalteverordnung und letztlich zum Klimaschutz. Gleichzeitig werden die Dienstleistungen in den Quartieren geschwächt. Doch gibt es Menschen, welche an ihr Quartier gebunden und auf diese Läden angewiesen sind.  

 

Bern, den 13. Mai 2011/nh