Ja zur erweiterten Personenfreizügigkeit

Die EVP Schweiz beschliesst die Ja-Parole zur erweiterten Personenfreizügigkeit. Weiter fordert sie mit der Resolution „Werte, die Krisen überstehen“ ein Kontrollinstitut für Finanzinstrumente, die Auszahlung sämtlicher Kickbacks, gestärkte Aktionärsrechte entsprechend der Abzockerei-Initiative und generell statt einer globalen Schuldenkultur eine neue Kultur des Teilens – durch stark progressive Steuern oder persönliche und direkte Unterstützung von Menschen in Not.

Heute Samstag fand in Aarau die 3. ausserordentliche Delegiertenversammlung der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) statt. Der Parteitag befasste sich zum einen mit der Abstimmungsvorlage vom 8. Februar 2009 – der erweiterten Personenfreizügigkeit – zum andern verabschiedete er eine Resolution zur aktuellen Finanzkrise.

 

Zu Beginn präsentierte Urs Bucher, Chef des Integrationsbüros im EDA und EVD, die Abstimmungsvorlage vom 8. Februar 2009: die Weiterführung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU sowie seine Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien. Der Botschafter informierte über die bisherigen Erfahrungen mit den bilateralen Verträgen und der Personenfreizügigkeit sowie über die Eckwerte der Weiterführung und Ausdehnung auf die beiden neuen EU-Staaten. Er machte unmissverständlich klar, dass nach einem Nein zur Personenfreizügigkeit nach sechs Monaten automatisch alle bilateralen Verträge I ausser Kraft gesetzt würden und damit die Grundlage unserer Beziehung zur EU als unserem wichtigsten Handelspartner nachhaltig gestört wäre. Die Schweiz sei aber auf stabile Beziehungen mit ihren Nachbarn angewiesen. Voraussetzung für eine Einwanderung in die Schweiz sei nach wie vor, dass man einen gültigen Arbeitsvertrag und damit eine Stelle habe.

 

Nationalrat Ruedi Aeschbacher (EVP, ZH) war vom sachlichen, kompetenten und hervorragenden Referat von Botschafter Urs Bucher derart angetan, dass er sich überlegte, auf sein Pro-Referat zur Vorlage glatt zu verzichten. Die EVP stütze ihre Politik nämlich seit jeher auf Sachargumente ab und zu der Auslegung von Urs Bucher sei nichts hinzuzufügen. Wer nüchtern nachdenke und die Sachverhalte abwäge, könne nur zum Schluss kommen, dass die Schweiz die Personenfreizügigkeit und den bilateralen Weg weiterführen müsse. Neuverhandlungen würden auf jeden Fall zu einem schlechteren Resultat führen, weil die Schweiz dann Bittstellerin wäre und die EU die Bedingungen diktieren könnte. Als Beispiel führte Aeschbacher das abgelehnte Fluglärmabkommen ab, das bei den Neuverhandlungen mit Deutschland klar schlechtere Rahmenbedingungen gebracht habe. So wäre es blauäugig zu glauben, man könnte dann in neuen Verhandlungen mit der EU mehr herausholen.

 

Im Gegensatz zu Aeschbacher legte SVP-Nationalrat Lukas Reimann dar, weshalb er mit der jungen SVP erfolgreich das Referendum gegen die Personenfreizügigkeit ergriffen habe. Erstens handle es sich dabei um eine undemokratische Paketlösung des Parlamentes, zweitens ergebe sich dadurch noch billigere Konkurrenz für das Schweizer Gewerbe und drittens drohe eine unkontrollierte Masseneinwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Verschiedene Votanten wiesen in der anschliessenden Diskussion jedoch darauf hin, dass die bis anhin gültige Personenfreizügigkeit keineswegs zu einer unkontrollierten Einwanderung geführt habe und es nicht aufrichtig sei, nun mit solchen Ängsten zu zündeln. Zudem habe Reimann nicht glaubhaft darlegen können, wie er den Scherbenhaufen der Bilateralen I nach einem Nein zur Personenfreizügigkeit zu kitten gedenke. Die Delegierten der EVP fällten schliesslich einen deutlichen Entscheid (mit 118 zu 1 Stimmen) für die JA-Parole zur Weiterführung und Ausdehnung der Personenfreizügigkeit.

 

Anschliessend diskutierten und verabschiedeten die EVP-Delegierten eine Resolution zur aktuellen Finanzkrise mit dem Titel „Werte, die Krisen überstehen“ (vgl. Anhang dieser Medienmitteilung). Sie weist unter anderem darauf hin, dass die Wirtschaft auf Abwege gerate, wenn Werte wie Verantwortung, Gerechtigkeit oder Selbstbeschränkung fehlen würden. Weiter wachse im Westen die Erkenntnis, dass wir schon lange über den Verhältnissen des Globus leben würden, weshalb die Vorstellungen über Lebensqualität und die Erwartung ständig steigenden Konsums entkoppelt werden müssen. Als konkrete Massnahmen unterstützt die EVP die Idee eines Kontrollinstituts für Finanzprodukte ähnlich der Heilmittelkontrolle für Medikamente, verlangt die Offenlegung und Auszahlung sämtlicher Kickbacks an die Kunden, generell gestärkte Aktionärsrechte entsprechend der Volksinitiative gegen die Abzockerei sowie die Rücknahme der durch Bundesrat Merz in Aussicht gestellten Steuererleichterungen für Hedge Funds. Neue Töne schlägt die EVP in der Salär- und Bonidebatte an: dass die aktuellen Löhne nicht auf Fairness oder Leistung, sondern auf dem Spiel der Marktkräfte beruhen würden, lasse sich nun einmal kaum ändern. Dann sei der Königsweg für mehr Gerechtigkeit aber ein anderer: nämlich dass mehr geteilt werde – sei es auf der staatlichen Ebene mit stark progressiven Einkommens-, Vermögens- oder Erbschaftssteuern, sei es mit der persönlichen und direkten Unterstützung von Menschen in Armut und Not.

 

Aarau, den 6. Dezember 2008/nh