Integrität als Erfolgsfaktor für die Wirtschaft

Integrität als Erfolgsfaktor für die Wirtschaft

Heute Samstag hat in Zürich das KMU-Forum der EVP Schweiz zum Thema „Gerechtigkeit in der Wirtschaft – Widerspruch oder Erfolgsprinzip?“ stattgefunden. Die Teilnehmenden kamen zum Schluss, dass nur gerechtes und integeres Wirtschaften nachhaltig erfolgreich sein könne.

Heute Samstag hat im Restaurant Hiltl in Zürich das KMU-Forum der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) stattgefunden. Rund 50 Teilnehmende aus kleinen und mittleren Unternehmen haben sich der Frage „Gerechtigkeit in der Wirtschaft – Widerspruch oder Erfolgsprinzip?“ gestellt und anhand verschiedener Referate diskutiert.

 

Markus Wenger: Visionen für Steuergerechtigkeit aus unternehmerischer Sicht

Zum Auftakt präsentierte Markus Wenger, Geschäftsführer der Wenger Fenster AG und Leiter des KMU-Netzwerkes der EVP Schweiz, seine Visionen für mehr Steuergerechtigkeit. Heute sei die Arbeit relativ stark besteuert, der Energieverbrauch hingegen kaum. Bei schlecht qualifizierten Arbeitnehmenden sei die Gefahr der Arbeitslosigkeit recht gross und entsprechend auch die Löhne tief. Hingegen seien beispielsweise Ingenieurstellen nur schwierig zu besetzen, was zu hohen Löhnen führe. Die Unternehmen würden sich noch immer so verhalten, als sei billige Energie unbegrenzt verfügbar. Diese Beobachtungen hätten Wenger in seiner Überzeugung bestärkt, dass eine ökologische Steuerreform unumgänglich sei. Man müsse die Arbeit weniger besteuern, damit mehr Arbeitsplätze entstehen und gleichzeitig den Energieverbrauch stärker besteuern, damit weniger Energie verbraucht werde. Abschliessend stellte Wenger ein konkretes, nachhaltiges Modell vor, welches sich kantonal umsetzen lasse: die Finanzierung von Familienausgleichs- und Arbeitslosenkasse nicht mehr durch die Lohnnebenkosten, sondern durch Abgaben auf dem Stromverbrauch. Dadurch würden die Lohnkosten sinken und der Spardruck auf die Energie zunehmen. Durch den kantonalen Standortwettbewerb entstünden Vorteile für den Werkplatz und die Unternehmen würden administrativ von der Überprüfung der Familiensituation entlastet (welche durch den Kanton ohnehin nochmals durchgeführt wird). Unternehmen, welche ihren Stromverbrauch momentan nicht optimieren könnten, würden nicht gleich in ihrer Existenz gefährdet, wie Wenger anhand konkreter Zahlen zeigen konnte. Schliesslich seien die Umgehungsmöglichkeiten gering, weil der Strom aus der Steckdose komme und schlecht am Zähler vorbeigeführt werden könne und das Modell ausbaubar.

 

Rolf Hiltl: Die Unternehmensethik des Restaurant Hiltl

Anschliessend führte Rolf Hiltl durch Geschichte und Angebot seines Restaurants, Tagungsort des KMU-Forums der EVP, von seinen Anfängen ausserhalb der Stadt bis zum heutigen Betrieb. Die Ethik des Fa-milienbetriebes richte sich nach dem biblischen Menschenbild, das für den Umgang mit den Mitarbeitenden sehr entscheidend sei. So will Rolf Hiltl nicht Vorgesetzter, sondern Vorbild sein. Was das bedeute? Er wolle seinen Mitarbeitenden immer wieder sein volles Vertrauen schenken, auch wenn das missbraucht werden könne. Wo nötig, sei ein klares Wort unvermeidlich und letztlich für alle Beteiligten wertvoller als verstecktes Lavieren. Der Tellerwäscher in seinem Lokal sei mindestens so wertvoll wie Rolf Hiltl als Chef, aber die Verantwortlichkeiten seien geklärt und jeder wisse, was seine Aufgabe sei. Nach seinem persönlichen Vorbild gefragt, könne Hiltl jeweils nur mit Jesus Christus antworten. In ihm sähe er perfekte Füh-rungsqualitäten wie das Beispiel der Fusswaschung zeige, welches seine Jünger regelrecht schockiert hätte. Diese dienende Führung strebe er auch als Chef des Hauses Hiltl in Zürich an. Schliesslich müsse sich, wer sein Leitbild und seine Werte lebe, auch vor Transparenz und Feedback nicht fürchten: so zeigt ein Flachbildschirm im Restaurant live alle Twittermeldungen an, welche sich ums Hiltl drehen. Ist jemandem der Kaffee zu wenig heiss, kann er sich auf diesem Weg sofort beschweren und eine entsprechende Meldung absetzen. Was anfänglich für Befürchtungen unter Mitarbeitenden gesorgt hätte, führe in der Praxis selten zu Problemen. Sondern diese gelebte Offenheit sorge für Glaubwürdigkeit.

 

Claude Schmutz: Erfolgsfaktor Integrität! Wie Wirtschaft und Gesellschaft erneuert werden können

Claude Schmutz, Gründer und Präsident der Leader's Integrity Foundation nach einer langjährigen Karriere bei Hoffmann-La Roche, plädierte vehement für die Entdeckung des Erfolgsfaktors Integrität in der Wirt-schaft. Schmutz sieht Leader im Spannungsfeld zwischen Freiheit, Konformität und Integrität. Freiheit, seine Ideen zu verwirklichen und das Business voranzutreiben. Konformität im Sinn der Übereinstimmung mit Gesetzen, Normen, Bestimmungen und Standards. Integrität beschreibt die persönliche Wertebasis, welche in hohen Drucksituationen am schnellsten leide. So würde Schmutz 100 Franken auf den Tisch wetten, dass die meisten Wirtschaftsführer, wenn der Chef eine Sitzung auf den Abend ansetzt, an dem die Ehefrau Geburtstag hat, sich für die Sitzung entscheiden würden. Nur ein Paradigmenwechsel könne dieses Spannungsfeld von Freiheit, Konformität und Integrität auflösen. Freiheit bedeute nun beispielsweise frei zu sein vom Drang nach Anerkennung, von Menschenfurcht, von seinen Trieben. Ein verwandelter Wirtschaftsführer verhalte sich nicht mehr aus Angst oder Zwang konform mit Gesetzen und Regeln, son-dern aus Überzeugung, dass beispielsweise Ehrlichkeit bei der Steuerrechnung eben am längsten währt. Integrität bedeute schliesslich zu sagen, was wir denken; zu tun, was wir sagen; zu sein, was wir tun. Ge-schaffen als Ebenbild Gottes seien wir Menschen zu dieser Freiheit, Integrität und Konformität berufen.

 

Werner Jakob: Biblische Geschäftsprinzipen in der Praxis

Werner Jakob, Gründer und Verwaltungsratspräsident der Beratungsfirma vitaperspektiv AG, zeigte auf wie biblische Geschäftsprinzipien in der Praxis aussehen könnten. Wer mit Werten in Führung gehen wolle, müsse sich an Ressourcen orientieren, die nur durch Jesus zugänglich seien. Dessen gesellschaftliche Relevanz gründe in seinem überzeugenden Lebensstil, seiner Führungsrolle und seinem Verständnis von geistlicher Familie. Werte wie Wahrheit, Liebe, Frieden, Bescheidenheit oder Vertrauen würden auch in Wirtschaft und Verwaltung für (qualitatives) Wachstum sorgen, auch wenn ihnen anfänglich zuweilen mit Misstrauen begegnet werde. So habe es Jakob in seiner Beratungstätigkeit erlebt. Bausteine für biblische Geschäftsprinzipien in der Praxis seien schliesslich die Selbstverantwortung unter Gott, welche Frieden brin-ge; die Familie als Kern einer gesunden Gesellschaft; Verwalterschaft, welche persönliche und soziale Reife fördere und schliesslich eine Politik der kleinen Schritte und der Aufbauarbeit im Kleinen. „Alle wollen die ganze Schweiz oder noch besser die Welt verändern, nur nicht sich selber“, so Jakob. Doch wer mit dem Zeigfinger auf andere zeige, müsse sich bewusst sein, dass Mittel-, Ring- und kleiner Finger auf ihn selber zeigen würden. Deshalb müsse im Kleinen und bei sich selber beginnen, was leuchten soll im Vaterland.

 

Maja Ingold: Politische Lösungsansätze für ein gerechtes Wirtschaften Abschliessend präsentierte EVP-Nationalrätin Maja Ingold politische Lösungsansätze für eine gerechtere Wirtschaft. Die EVP sei zwar keine Wirtschaftspartei, ökonomische Fragen im Parlament jedoch omnipräsent und das Stimmverhalten der beiden EVP-Nationalrätinnen in Wirtschaftsfragen oft sehr eigenständig im Vergleich zur Fraktionspartnerin CVP, aber auch gegenüber der Ratslinken. Die EVP könne und wolle sich nicht in Dogmen wie „Wettbewerb ist immer gut und Säule unseres Staatsverständnisses“ oder „Un-ternehmen handeln immer unethisch“ flüchten. Als Sozialvorsteherin von Winterthur habe sie sich immer auch für gute Rahmenbedingungen für die Unternehmen eingesetzt, weil letztlich nur eine gesunde Wirtschaft auch die Gelder generiere, welche die soziale Sicherheit erst finanzieren und ermöglichen würden. Ging es um die Platzierung oder Wiedereingliederung von leistungsschwächeren Menschen im ersten Arbeitsmarkt habe sie sich oft mit Firmenverantwortlichen zusammengesetzt und diese gefragt, was sie seitens der Politik bräuchten, um diese Menschen beschäftigen zu können und so nicht nur die öffentliche Hand zu entlasten, sondern auch den Betroffenen eine neue Perspektive zu geben. Das Fazit von Maja Ingold: die EVP setze sich ein für Leistungsschwächere und den Sozialstaat, aber auch für gute Rahmenbedingungen, gerade für kleinere und mittlere Unternehmen. Das sei kein Widerspruch, sondern ermögliche letztlich Lösungen, bei denen alle gewinnen. Zum KMU-Netzwerk der EVP Das heutige KMU-Forum wird vom KMU-Netzwerk der EVP verantwortet, welches Anfang 2009 ins Leben gerufen worden ist. Es wird von Markus Wenger geleitet, Geschäftsführer der Firma Wenger Fenster AG in Wimmis BE. Das KMU-Netzwerk will Unternehmerinnen und Unternehmer innerhalb der EVP und in ihrem Umfeld vernetzen, die KMU-Stimme in der EVP verstärken, Brücken schlagen zwischen KMU-VertreterInnen und PolitikerInnen sowie die EVP für KMU-relevante Wirtschaftsthemen sensibilisieren. Zur Zielgruppe gehören selbständige Unternehmer/innen, Geschäftsführer/innen, Selbständigerwerbende und Kader.

 

Zürich, den 30. April 2011/nh