Humanitäre Tradition der Schweiz nicht gefährden

Humanitäre Tradition der Schweiz nicht gefährden

Gerade zurück von einem verlängerten Weekend in der norditalienischen Metropole Mailand, wurde ich beim Aufstarten meiner News-Apps mit einem radikalen Vorhaben der SVP konfrontiert: „Die SVP liebäugelt rund 15 Monate vor den Wahlen 2015 erneut mit einer Volksinitiative zum Asylwesen“, heisst es im Tagi. Das Recht auf Asyl soll dadurch faktisch abgeschafft werden, heisst es in diversen Zeitungen. Ich bin beunruhigt.

Die SVP will mit dieser Initiative erreichen, dass nur noch Asylsuchende akzeptiert werden, die auf dem Luftweg in die Schweiz kommen. Grund sei eine Explosion der Asylanträge, so die SVP. Dass dies faktisch eine Abschaffung des Asylrechts bedeutet, liegt auf der Hand. Man muss sich vorstellen: Ein Asylsuchender geht in seinem Heimatland zum verbombten Flughafen und löst dort für 1000 Dollar oder mehr ein Flugticket in die Schweiz. Unvorstellbar, oder? Aber vielleicht ist der Flughafen ja völlig intakt und jemand hat das nötige Geld für eine Flugreise, mögen Kritiker sagen. Ja, dann kann diese Person ein Ticket lösen und in die Schweiz fliegen. Das tun auch Einige. Sie fliegen zum Beispiel zu einer Konferenz und tauchen dann unter (sog. Overstayers). Was die SVP-Asylinitiative dann nützen würde? Gar nichts. Schliesslich kommen diese Menschen per Flugzeug in die Schweiz und nicht über ein sicheres Drittland. Am liebsten will man sich aus allen Unannehmlichkeiten heraushalten unter dem Motto: Fratello, ich finde Italien zum Ferien machen zwar super, aber löse doch bitte Deine Probleme selber. Das ist erstens unsolidarisch und zweitens realitätsfremd. Schengen-Dublin-Abkommen hin oder her. Ist es da nicht wieder, das cherry picking?

 

Humanitäres Erbe weiterpflegen

Ich denke zurück an die vielen Flüchtlinge, die ich in Mailand gesehen habe. Viele hausen in Parks und auf Strassen. Italien will diese Menschen nicht. Die SVP will sie auch nicht. Ob Menschen wegen bitterer Armut oder wegen einer kriegerischen Auseinandersetzung aus ihrem Heimatland flüchten mussten, scheint in diesem Diskurs nicht wichtig zu sein. Man verschliesst lieber die Augen vor all diesen menschlichen Dramen und macht die Schotten dicht. Probleme lösen nennt man das dann. Ich nenne es Angstmacherei und Wahlkampftaktik auf Kosten der Schwächsten. Die Zahlen sprechen nämlich eine andere Sprache: Etwas mehr als 20 000 Asylgesuche sind eingegangen. Eine Zahl, die man aus den Vorjahren kennt. Von einer „Explosion“, wie die SVP jüngst verlauten liess, keine Spur. Die Gegner dieser Initiative beschwören die humanistische Tradition der Schweiz. Ja, man soll sie hochhalten, aber bitte auch unter Beweis stellen. Dazu sind nun alle politischen Kräfte aufgefordert, die dieses Erbe weiterpflegen wollen. Die EVP wird sich weiterhin für die Schwächsten einsetzen. Das steht nicht nur in unserem „Parteibüechli“, sondern ist ein fundamentaler Aspekt der christlichen Nächstenliebe. Doch die Liebe für den Nächsten, besonders wenn er fremd ist, scheint zu erkalten. Es weht eine rauhe Biese, wenn die Privilegierten zusammenrücken und sich in Besitzstandswahrung üben.

 

Zum Geburtstag viel Solidarität

Trotzdem wollen wir feiern, all das Gute und alles was richtig läuft in diesem Land. Angesichts der nahenden 1.-August-Feier möchte ich meinen Kommentar schliessen mit einem erfrischenden und herzerwärmenden Zitat aus einer vergangenen 1.- August-Rede: „Die Schweiz meiner Träume ist weltoffen, selbstbewusst, solidarisch“. Adolf Ogi, Bundesrat der SVP, 01.08.2000.

 

In dem Sinne: Happy birthday Schweiz.

 

Mit besten Grüssen

Jean-Daniel Roth

Kommunikationsleiter der EVP Schweiz