Die Schweiz braucht eine Neutralitätsdiskussion

Die Hände in den Schoss legen und nichts tun, ist keine Option. Die EVP Schweiz wünscht sich eine aktive Neutralitätspolitik: die Schweiz soll unermüdlich ihre guten Dienste anbieten.

Der Nahostkonflikt zeigt es in diesen Tagen deutlich: die Diskussion, was wir unter einer neutralen Schweiz verstehen wollen, ist überfällig. Der Bundesrat und die Parteien sind sich uneinig: während die SVP die Neutralität als oberste Maxime und rein symbolische Worthülse einfordert, möchte die SP die eine Konfliktpartei von der neutralen Schweiz ein bisschen stärker verurteilt sehen. Derweil versteckt sich die Landesregierung hinter Wortklaubereien, um im opportunistischen Nichtstun verharren zu können.<?xml:namespace prefix = o ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:office" />

 

Neutralität – ein Wort, das mit Inhalten gefüllt werden muss. Dazu müssen wir Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik scharf auseinander halten. Ersteres umfasst die in verschiedenen internationalen Abkommen (Den Haag 1907 und Genf 1949) völkerrechtlich definierten Rechte und Pflichten eines neutralen Staates. Die 1815 von den europäischen Grossmächten anerkannte immerwährende Neutralität der Schweiz bedeutet, dass die Schweiz nie an einem bewaffneten Konflikt zwischen anderen Staaten teilnehmen wird. Eine Schweizer Eigenschaft, auf die wir zu Recht stolz sein dürfen.

 

Wie hat aber die über dieses Grundprinzip hinausgehende Haltung der neutralen Schweiz gegenüber den Konfliktparteien auszusehen? Hier muss die Diskussion um die richtige Neutralitätspolitik einsetzen. Die SVP versteht darunter eine Haltung, „welche von den Politikern höchste Zurückhaltung fordert; eine Haltung, die anstrebt, sich nicht in fremde Konflikte einzumischen.“ Das ist feige und opportunistisch. Die SP möchte im aktuellen Konflikt die Verletzung des Völkerrechts verurteilt sehen. Damit ist wohl auch niemandem geholfen. Anzustreben ist hingegen eine aktive Neutralitätspolitik im Sinn von Art 54 Abs 2 der Bundesverfassung: „Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.“ Eine bessere Definition kann sich die EVP Schweiz nicht vorstellen. Neutralität bedeutet nicht „höchste Zurückhaltung“ (SVP), Neutralität bedeutet in ihrem Kerngedanken Engagement für eine bessere Welt (BV).

 

Wie könnte nun eine aktive Neutralitätspolitik im Nahen Osten aussehen?

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Die Leiden der Zivilbevölkerung müssen gelindert werden. Deshalb ist es richtig, wenn sich die Schweiz mit humanitärer Hilfe engagiert. Inwiefern sie zum Wiederaufbau beitragen kann, ist jetzt zu prüfen.

Kampfhandlungen tragen weder kurz<?xml:namespace prefix = st1 ns = "urn:schemas-microsoft-com:office:smarttags" />- noch langfristig zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker bei. Die Schweiz muss auf die Einhaltung des  Waffenstillstandes und eine dauerhafte friedliche Lösung hinwirken.

Die Hizbollah muss rasch und vollständig entwaffnet werden. Dazu hat die Schweiz dem Libanon ihre Unterstützung anzubieten. Staaten, die der Unterstützung der Hizbollah verdächtigt werden, sind unmissverständlich auf die völkerrechtliche Illegalität ihres Handelns aufmerksam zu machen.

Die Schweiz hat unermüdlich ihre guten Dienste zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern anzubieten. Werden in diesem Kernpunkt Fortschritte erreicht, normalisieren sich auch die Beziehungen Israels zur übrigen arabischen Welt.

Die Existenzberechtigung des Staates Israel in Palästina, wo die Juden ihre historischen Wurzeln haben, muss von allen Parteien akzeptiert werden. Im Nahen Osten muss aber eine Lösung gefunden werden, welche die Rechte der Palästinenser ebenfalls berücksichtigt.

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Neutralität bedeutet nicht die Verweigerung jeder Stellungnahme. „Wer nicht auf meiner Seite steht, ist gegen mich“, sei für einmal Jesus zitiert als Hinweis auf die tendenzielle Unmöglichkeit dieses Unterfangens. Neutralität ist nicht nur vereinbar mit der Parteinahme für die Angegriffenen, die Schwachen und die Unterdrückten, sie kann diese Parteinahme sogar beinhalten.

 

Zürich, den 9. August 2006/nh