Christliche Antworten auf die Herausforderung Islam

Mit einem Fokustag hat sich die EVP Schweiz heute Samstag in Zürich der Herausforderung Islam gestellt. Gemeinsam galt es Antworten auf Brennpunkte wie Minarettbau, Kopftuchverbot, Religionsfreiheit und Christenverfolgung, Imam-Ausbildung, Scharia-Recht oder Islamismus zu finden. Der Unterschied zwischen religiösem Islam und politischem Islamismus wurde in den Referaten – unter anderem von Prof. Dr. Bassam Tibi, Prof. Dr. Christine Schirrmacher und Dr. Heinz Gstrein – ebenso angesprochen wie das Verhältnis zwischen Religionsfreiheit und Zivilgesellschaft.

Heute Samstag haben sich in der ETH Zürich auf Einladung der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) über 270 Personen zum Fokustag „Herausforderung Islam“ eingefunden. Eine Herausforderung stellt der Islam in zweierlei Hinsicht dar: Zum einen kollidiert das islamische Werteverständnis frontal mit demjenigen der christlich-abendländischen Kultur, zum anderen erheben Teile des Islam einen religiös-politischen Machtanspruch und stellen Staat, Kirche und Gesellschaft vor tiefgreifende Herausforderungen. Aktuell und exemplarisch zeigt sich dies an der Debatte um die Teileinführung der Scharia.

 

Nach der Eröffnung durch EVP-Präsident Heiner Studer sprach Prof. Dr. Bassam Tibi, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen (D) und an der Cornell University (USA), zum Thema: „Die Balance zwischen Religionsfreiheit, Toleranz und religiösem Pluralismus.“ Brillant, kenntnisreich und gespickt mit Anekdoten forderte der bekennende, liberale Muslim Tibi eine sachliche Diskussion mit dem Recht auf eine eigene Meinung, aber ohne Recht auf eigene Fakten. Tibi unterstrich die Unterscheidung zwischen dem Islam als Glaube, Ethik oder Kult und dem Islamismus als politische Ordnung oder Lebensform. Während sich der Islam als Kult in Europa integrieren lasse, sei das beim Islamismus als Lebensform nicht möglich, weil dieser im Widerspruch zu sämtlichen westlichen Verfassungen stehe. Europa müsse Forderungen an die hier lebenden Muslime stellen, umgekehrt dürften auch die Muslime Forderungen stellen, selbstverständlich aber nur im Rahmen der europäischen Ordnung. Zur Religionsfreiheit führte Tibi das Beispiel einer deutschen Richterin an, welche einer muslimischen Frau die Scheidung verweigerte  mit dem Argument, laut Koran sei es dem Mann erlaubt, seine Frau zu schlagen. „Das ist ein grundfalsches Verständnis von Religionsfreiheit“, betonte Tibi. „Wenn eine Religion Regeln enthält, welche der europäischen Zivilgesellschaft widersprechen, dann kann sie diese Regeln nicht im Namen der Religionsfreiheit zulassen.“ Es sei nicht Aufgabe der Toleranz, die Intoleranz im Namen der Toleranz zuzulassen. Abschliessend plädierte Tibi dafür, den Muslimen in Europa offen und als Menschen mit allem Verständnis zu begegnen, sie aber wo nötig auch in die Schranken zu weisen. Würden Europäer und Muslime keine Wege finden, um in Frieden und mit Respekt gegenüber der Zivilgesellschaft zu leben, drohe spätestens Mitte des Jahrhunderts eine „Ethnizität der Angst“ wie sie heute im Kosovo herrsche, also ein Klima der Angst zwischen verschiedenen ethischen Gruppen.

 

Auch Dr. theol. Andreas Maurer, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Islamfragen Schweiz, betonte die Bedeutung eines Basiswissens über den Islam, um Muslimen in der Schweiz begegnen zu können. Begegnung bedinge ein Wissen über den Islam, seine Denkweise und Kultur. So könne ein islamischer Geistlicher, das Verbot der Abkehr vom Islam unter Androhung der Todesstrafe problemlos mit der Religionsfreiheit vereinen, wie er es selber in Zürich erlebt habe. Da sei es wichtig, zunächst zuzuhören und sich Zeit zu nehmen für Menschen, die uns fremd sind, dann aber auch die richtigen Rückfragen zu stellen und nach Beweisen zu fragen. Schliesslich seien wir dazu aufgefordert, Profil zu zeigen: Wer Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam anerkenne, ohne die Widersprüche und Unterschiede zu verleugnen und zu verschweigen, gewinne gegenüber Muslimen an Glaubwürdigkeit. Viele Muslime würden die Schweiz als gottlos oder areligiös wahrnehmen und das Christentum als kraftlose Religion.

 

Mit Spannung erwartet wurde das Referat „Islam in Europa als Herausforderung für Staat, Gesellschaft und Kirche“ von Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Professorin an der Evang.-Theol. Fakultät Leuven (B), wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz und Autorin von „Die Scharia – Recht und Gesetz im Islam“. An konkreten Diskussionsfeldern wie der Menschenrechtsfrage, der gegenseitigen Toleranz, der Stellung der Frau oder der Rechtmässigkeit von Selbstmordattentaten machte Schirrmacher deutlich, dass Begriffe wie Toleranz oder Gleichberechtigung eben nicht – ihrer abendländischen Wurzeln beraubt – problemlos auf andere Kulturen und Religionen übertragen werden können und dann wie selbstverständlich auch die gleichen Inhalte bieten. Hier komme die westliche Gesellschaft nicht um eine fundierte Diskussion herum, um über die Verhältnisse im eigenen Land und bei den Zuwanderern Bilanz zu ziehen und nach konstruktiven Lösungsansätzen zu suchen. Die Aufgabe des Staates sei es – aus einer vertieften Kenntnis des Islam – zu einer vernünftigen Grenzziehung gegenüber politischen Kräften zu kommen. Es dürfe keinen doppelten Rechtsstandard geben – bei der Stellung der Frau oder der Anerkennung der Vielehe etwa – denn nur eine Verständigung auf eine gemeinsame Rechts- und Werteordnung werde den Erhalt der europäischen Nationen auf Dauer garantieren können.

 

Den Abschluss des Morgens machte Dr. Heinz Gstrein, Professor an der Universität Wien, Präsident der Orthodoxen Kirchen in der Schweiz und ehem. Nahostkorrespondent. Unter dem Titel „Widersprüchliches und Hoffnungsvolles – 50 Jahre erlebter Islam“ berichtete er von seinen Erfahrungen im Nahen Osten. Seine in Innsbruck begonnenen Studien der Orientalistik und Islamwissenschaft setzte Gstrein in Istanbul an der griechisch-orthodoxen Theologischen Fakultät fort bis 1964 die Regierung in Ankara unter dem Vorwand der ersten Zypernkrise allen Ausländern das weitere Theologiestudium auf türkischem Boden verbot. 1985 ging Gstreins langjähriger Aufenthalt in Ägypten jäh zu Ende, nachdem er schon mehrmals wegen seines Eintretens für die vielerorts bedrängten und überall diskriminierten koptischen Christen gerügt worden war. Aufgrund seiner 50jährigen Erfahrungen unternahm Gstrein den Versuch folgender Bilanz: „Keine andere Weltanschauung unterliegt einer so grossen Spannung von hoffnungsvoller Christentumsnähe und fanatischer Christenfeindschaft, zwischen globalem totalitärem Herrschaftsanspruch und tiefster Innerlichkeit wie der Islam.“ Statt eines innerlichen Zusammenfindens der Religionen könne heute eine Art Verteilungskampf der religiösen Wahrheiten beobachtet werden, bei denen sich die Christen nur durch mehr oder weniger geordneten Rückzug oder durch den vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Ansprüchen anderer und gerade aus den Reihen der Muslime auszeichnen würden. Wie Maurer auch, kam Gstrein zum Schluss, dass uns die Beziehung zu den eigenen religiösen und kulturellen Wurzeln abhanden gekommen sei. Auch die Aussage von Bassam Tibi, beim Islamismus handle es sich um einen neuen Totalitarismus, unterstrich Gstrein voll und ganz: die eingeschränkte Kultusfreiheit, wo Andersgläubige vom Islam nur als Menschen zweiter Klasse toleriert würden, zeuge nur als Beispiel davon. Dem politischen Islam müsse man aber politisch begegnen und hier sei eine Partei wie die Evangelische Volkspartei gefordert. Bei aller angezeigten Wachsamkeit und Festigkeit der politischen Seite des Islams gegenüber sollen wir aber auch seinen religiösen Gehalt hochschätzen: Auch der Islam und der Koran enthalte Samenkörner der ewigen Wahrheit, der einen göttlichen Offenbarung. Diese gelte es zusammen mit unseren islamischen Mitbürgern zu entdecken und zu heben!

 

Heute Nachmittag werden die Referate vom Morgen in einer Podiumsdiskussion und verschiedenen Fokusgruppen weiter vertieft und diskutiert. Sie umfassen Teilaspekte der Thematik wie Minarettbau (Leitung: Hansjörg Leutwyler, Zentralsekretär Schweizerische Evangelische Allianz SEA), Kopftuchverbot (Leitung: Dr. Andreas Maurer), Religionsfreiheit und Christenverfolgung (Leitung: Annette Walder-Stückelberger, Geschäftsführerin CSI-Schweiz), Imam-Ausbildung (Leitung: Dr. Heinz Gstrein), Scharia-Recht (Leitung: Prof. Dr. Christine Schirrmacher) und Islamismus (Leitung: Prof. Dr. Bassam Tibi).

 

Organisiert wurde der Fokustag „Herausforderung Islam“ durch die EVP Schweiz; als Tagungspartner haben fungiert: Christian Solidarity International (CSI), die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA), das Institut für biblische Reformen (IBR) sowie die ERF Medien (Evangelium in Rundfunk und Fernsehen).

 

Zürich, den 24. Januar 2009/nh