Spannungsfelder
Fehlende Werte. Wenn Werte wie Verantwortung, Gerechtigkeit oder Selbstbeschränkung fehlen, gerät die Wirtschaft auf Abwege. Geld kann wertlos werden, echte Werte sind zeitlos und beständig.
Entgleiste Finanzmärkte. Gesunde Finanzmärkte sind nötig für eine funktionierende Wirtschaft. Ohne Regeln verkommen sie jedoch zum Finanzcasino – getrieben durch die Gier nach unverschämten Renditen ohne jeden Gemeinsinn. Der Finanzplatz muss auf eine reale Grundlage zurückkehren. Das geht nur mit neuen Regeln. Der Markt selbst hat kein Gewissen.
Globale Schuldenkultur. Die Kultur des Schuldenmachens ist tief in der Menschheitsgeschichte verwurzelt. Sie widerspricht biblischen Grundsätzen und verhindert persönliche Freiheit und Unabhängigkeit. Auslöser für die aktuelle Finanzkrise ist das unverantwortliche Leben auf Pump. Die staatlichen Rettungsaktionen schränken diese Schuldenwirtschaft nicht etwa ein, sondern versuchen krampfhaft, ihr neues Leben einzuhauchen.
Irrglaube an die Ökonomie. Die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte haben ein Mass an Komplexität erreicht, das kaum mehr durchschaut werden kann. Die Volkswirtschaftslehre ist um Lösungen nicht verlegen – bildet mit ihren Modellen aber eine Wirklichkeit ab, die meist längst überholt ist. Damit ist die Lehre der Ökonomie oft nicht mehr als in Wissenschaft verpackte Ideologie.
Grundsätze
Biblische Prinzipien beachten. Die Bibel gibt keine Patentrezepte für den Umgang mit Wirtschaftskrisen. Sie lehrt uns aber, nicht über die eigenen Verhältnisse zu leben und mit dem Nächsten zu teilen.
Weniger ist mehr. Die Einsicht wächst, dass wir im Westen schon lange über den Verhältnissen des Globus leben. Die aktuelle Krise ist Ausdruck davon. Das westliche Konsummodell kann nicht länger das Mass aller Dinge sein. Die Vorstellungen über Lebensqualität und die Erwartung ständig steigenden Konsums müssen entkoppelt werden.
Teilen macht ganz. Die aktuellen Löhne gewisser Manager beruhen nicht auf Fairness oder Leistung, sondern auf dem Spiel der Marktkräfte. Das entspricht dem System und lässt sich kaum ändern. Der Königsweg für mehr Gerechtigkeit ist ein anderer – nämlich dass wir mehr teilen. Sei es auf der staatlichen Ebene mit stark progressiven Steuern oder Erbschaftssteuern, sei es mit der persönlichen und direkten Unterstützung von Menschen in Armut und Not.
Gemeinsinn vor Einzelinteressen. Die EVP erwartet, dass Führungspersonen in Wirtschaft und Politik über innere Werte zum Wohle aller Menschen verfügen und Werten wie Verantwortung, Gerechtigkeit und Selbstbeschränkung nachzuleben versuchen. Die Bestrebungen, den Beitrag eines Wirtschaftsunternehmens an die Gesellschaft messbar zu machen, sind weiter zu vertiefen. Mittel dazu können Ethikratings sein.
Transparenz statt Finanzfilz. Unser Vertrauen gewinnt die Finanzwelt nur zurück, wenn sie transparenter wird. Das gilt für die offene Information über Risiken und Produkte. Für die teils haarsträubend ungerechten Vertragsklauseln. Das Stimmverhalten von institutionellen Anlegern an den GV’s. Für die gefährlich mächtigen Ratingagenturen. Und, und, und. Keine Bankaktivitäten ausserhalb der Bilanz. Keine Finanzakteure ohne staatliche Aufsicht. Keine dubiosen Finanzplätze in irgendwelchen Oasen.
Hilfe muss weh tun. Wenn der Staat Unternehmen unter die Arme greift, muss es diese teuer zu stehen kommen. Und das Parlament muss involviert sein. Ansonsten rechnen die Firmen damit, dass der Staat sie im Notfall rettet und gehen zu hohe Risiken ein (Moral Hazard). Das Unternehmen soll mehr für die Staatshilfe bezahlen müssen, als marktüblich wäre: durch hohe Zinsen oder Gewinnbeteiligungen des Staates. Langfristige Beteiligungen des Staates sind hingegen unerwünscht: der Staat ist nicht der bessere Unternehmer.
Miteinander von Staat und Wirtschaft. Mehr Eigenverantwortung und weniger Staat passen schlecht zum Ruf nach staatlicher Hilfe als Folge des eigenen überheblichen Tuns. Es muss einen pragmatischen Mittelweg geben, bei dem Staat und Wirtschaft gemeinsam Rahmenbedingungen für eine lebenswerte Schweiz schaffen.
Internationale Kooperation. Die Schweiz muss internationale Bemühungen für neue Finanzmarktregeln unterstützen. Mit ihrem starken Finanzplatz hat die Schweiz ein Interesse daran, dass auch die anderen Finanzplätze hart reguliert werden. Dann können wir aber nicht gleichzeitig bei den Steuerschlupflöchern an vorderster Front mitmachen. Das Bankgeheimnis kann und soll bestehen bleiben, aber die schweizerische Eigenart der Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung ist aufzuheben.
Englischer statt amerikanischer Weg. Statt dem Unternehmen die schlechten Risiken abzukaufen, ist mit einer Beteiligung am Aktienkapital oder mit Krediten zu helfen. Die Firma muss die Suppe selber auslöffeln, die sie sich eingebrockt hat. Sie soll die schlechten Risiken in ihren Büchern behalten müssen.
Keine Kollateralschäden. Die Rettung der Banken darf nicht zu Lasten der Armen im In- und Ausland gehen. KMU’s müssen nach wie vor Kredite zu sinnvollen Konditionen aufnehmen können.
Massnahmen
Parlamentarische Demokratie. Das Parlament muss auch bei Hilfsaktionen mitbestimmen können. Es geht nicht an, dass Hilfspakete von der Grössenordnung des gesamten Bundeshaushaltes praktisch am Parlament vorbei entschieden werden.
„Heilmittelkontrolle“ für Finanzprodukte. Die EVP unterstützt die Idee eines Kontrollinstituts, welches Finanzprodukte vor ihrer Zulassung auf Risiken sowie offene und transparente Information hin überprüft.
Keine versteckten Zahlungen. Alle Finanzdienstleister müssen sämtliche Kommissionen, Provisionen und Kickbacks offenlegen und dem Kunden gutschreiben.
Aktionärsrechte stärken. Die Aktionäre stimmen über die Entschädigungen für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ab. Sie wählen die Mitglieder des Vergütungsausschusses und den unabhängigen Stimmrechtsvertreter.
Neue Bonussysteme. Erstens müssen die Aktionäre über das Bonussystem ihrer Firma abstimmen können. Zweitens müssen diese Entschädigungen auch Malus-Elemente enthalten. Drittens dürfen die Boni nicht kurzfristig ausgeschüttet werden, sondern müssen vom langfristigen Erfolg der Firma abhängen.
Keine goldenen Fallschirme. Die Aktionäre müssen über die Politik von Anfangs- und Abgangsentschädigungen befinden können. Wo Kündigungsfristen arbeitsvertraglich festgehalten sind, dauern diese maximal ein halbes Jahr. Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung.
Transparenz an GV‘s. Die Organ- und Depotstimmrechtsvertretung werden abgeschafft. Institutionelle Anleger müssen im Interesse ihrer Versicherten stimmen und offen legen, wie sie gestimmt haben.
Klare Gewaltentrennung. Niemand kann sich selber kontrollieren. Mitglieder der Geschäftsleitung dürfen nicht gleichzeitig stimmberechtigte Mitglieder des Verwaltungsrates sein.
Mehr Eigenkapital. Die EVP bejaht schärfere Eigenkapitalvorschriften, die nicht unterlaufen werden können. Die unrealistischen Eigenkapitalrenditen der letzten Jahre gehören der Vergangenheit an.
Keine Subventionen für Finanzjongleure. Die Steuererleichterungen zugunsten von Hedge Funds sind zurückzunehmen. Der Bundesrat darf diese hochriskante Branche nicht weiter fördern und ermutigen. Die neuen Anlagerichtlinien für Pensionskassen (BVV2) sind zurückzunehmen: es ist nicht einsichtig, weshalb die Pensionskassen bis zu 15% in die schwer verständlichen und hochriskanten Hedge Funds investieren dürfen.
Nachhaltige Konjunkturförderung. Wenn der Staat jetzt die Konjunktur stützt, dann nur durch Investitionen in sinnvolle Infrastrukturvorhaben, die einen hohen Wertschöpfungsanteil in der Schweiz aufweisen. Beispiele sind der öffentliche Verkehr oder die Förderung der erneuerbaren Energie.
Transparente Parteienfinanzierung. Die EVP fordert ein Parteiengesetz, welches für Transparenz bei deren Finanzierung sorgt.