Nein zur Kampfjetinitiative, nein zur USR II

Nein zur Kampfjetinitiative, nein zur USR II

Nein zur Unternehmenssteuerreform weil verfassungswidrig, nein zur Kampfjetlärminitiative weil unverantwortlich. Dies das Fazit der ausserordentlichen Delegiertenversammlung der EVP Schweiz von heute Samstag in St.Gallen. Eine Paneldiskussion zum Thema Suizidbeihilfe zeigt zudem: ein massiver Ausbau palliativer Angebote ist unerlässlich.

Heute Samstag hat in St.Gallen die erste ausserordentliche Delegiertenversammlung der Evangelischen Volkspartei der Schweiz (EVP) dieses Jahres stattgefunden. Im Mittelpunkt standen die Abstimmungsvorlagen vom 24. Februar 2008 sowie die Beihilfe zum Suizid, welche die EVP in einer Paneldiskussion mit mehreren Expertinnen und Experten thematisierte.

 

Den Anfang machte EVP-Kantonalpräsident und Kantonsrat Reto F. Denoth. In seinem Grusswort wies er auf die kantonalen Wahlen vom 16. März hin, bei denen die EVP trotz Verkleinerung des Kantonsrates ihre 2 Sitze halten und wenn möglich einen dritten hinzugewinnen will. Mit insgesamt 7 Listen in 5 Wahlkreisen und einem überdurchschnittlich hohen Anteil an jungen Kandidierenden dürfte dies der EVP gelingen.

 

Nach einem weiteren Grusswort von Regierungsrätin Karin Suter-Keller (FDP) und einer besinnlichen Einleitung von FEG-Pastor und EVP-Kandidat Peter Hauser kam die Volksinitiative „Gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten“ von Umweltschützer Franz Weber zur Sprache, über die am 24. Februar abgestimmt wird. Gastreferentin und Nationalrätin Yvonne Gilli (Grüne) warb für die Vorlage, weil heute viele Menschen vom Lärm der Kampfjets empfindlich in Mitleidenschaft gezogen würden und Lärm generell die Schweizer Volkswirtschaft jährlich rund 700 Millionen Franken koste. EVP-Nationalrat Walter Donzé sprach sich gegen die Initiative aus: sie laufe faktisch auf die Abschaffung der Schweizer Luftwaffe hinaus, weil deren Trainingsräume infolge der zahlreichen zivilen Luftstrassen ohnehin schon sehr eingeschränkt seien und sich notgedrungen auch über Erholungsräumen befinden würden. Weil aber die Initiative die Übungsflüge während des ganzen Jahres und nicht nur während der Tourismussaison verbieten wolle, verliere die Luftwaffe jeden Spielraum. In Mitleidenschaft gezogen würde aber nicht nur die Ausbildung; die Luftwaffe könnte auch ihre luftpolizeilichen Aufgaben nicht wahrnehmen und die Sicherung des Luftraumes nicht mehr gewährleisten – Aufgaben, die ihr vom Bundesrat übertragen worden sind. Zahlreiche Grossveranstaltungen vom WEF bis zur Euro 08 würden dadurch verunmöglicht. Als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats hat sich Donzé für ein optimiertes Training (minimale Flüge, Auslandübungen, Simulator) und optimierte Rahmenbedingungen (restriktive Betriebszeiten, Start- und Landeverfahren) eingesetzt. Dem drohenden  Grounding der Schweizer Luftwaffe müsse am 24. Februar mit einem deutlichen Nein vorgebeugt werden, kam Walter Donzé zum Schluss, denn: „Oben ohne wäre unverantwortlich!“ Die Delegierten liessen sich von diesen Argumenten überzeugen und beschlossen mit 89 zu 25 Stimmen die Nein-Parole zur Kampfjetlärminitiative. Die zweite Vorlage, die am 24. Februar zur Abstimmung kommt, die Unternehmenssteuerreform II, hat die EVP bereits an der Delegiertenversammlung vom 27. Oktober 2007 in Sursee mit deutlicher Mehrheit zur Ablehnung empfohlen.

 

Einen zweiten Schwerpunkt der Delegiertenversammlung bildete die Beihilfe zum Suizid. Ausgehend vom programmatischen Standpunkt der EVP, wonach die Beihilfe zum Suizid zu verbieten sei, moderierte Dr. med. Regula Streckeisen und Kantonalpräsidentin der EVP Thurgau eine Paneldiskussion zur Thematik. Elisabeth Brassel, Mitarbeiterin des Palliativen Brückendienst der Krebsliga SG/AR und Präsidentin des Hospizdienstes St.Gallen forderte Lebenshilfe statt Sterbehilfe durch den massiven Ausbau von palliativen Angeboten in Ausbildung und Pflege sowie die Förderung von Hospizen und Hospizdiensten, bei welchen geschulte Freiwillige Schwerkranken ihre Zeit schenken und so auch die Angehörigen entlasten können. Dr. med. Daniel Beutler, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz AGEAS wies auf zwei ethische Dilemmata hin: einerseits das Abwägen des Einzelschicksals gegenüber einer übergeordneten Regulierung und andererseits das Spannungsfeld zwischen der Menschenwürde und einem einverlangten Recht auf Selbstbestimmung. Schlussendlich müsse aber die jedem Menschen innewohnende, unantastbare Menschenwürde massgebend sein. Kantonsrat Reto F. Denoth, Präsident der Ethikgruppe des Kantonsrates, negierte ein Menschenrecht auf den assistierten Suizid und betonte, dass die Beihilfe zum Suizid ethisch nicht vertretbar sei und gegen den gesellschaftlichen Grundkonsens verstosse. Grossrat und Pfarrer Marc Jost (EVP, Thun) warnte vor einer weitergehenden gesetzlichen Regulierung, weil sie als Legitimierung der Suizidbeihilfe verstanden werden könnte und zudem die Gefahr einer weiteren Lockerung in sich berge. Nationalrat und Parteipräsident Ruedi Aeschbacher (EVP, Grüt ZH) gab hingegen zu bedenken, dass er ein Verbot der Beihilfe zum Suizid durchaus als mehrheitsfähig erachte. Handlungsbedarf auf nationaler Ebene ergebe sich aus der Tatsache, dass die bestehende Norm im Strafgesetzbuch – es macht sich nur strafbar, wer Beihilfe zum Suizid aus selbstsüchtigen Motiven leistet – in den verschiedenen Kantonen sehr unterschiedlich vollzogen werde. Gerade bei Dignitas sei diese selbstsüchtige Motivation doch gegeben und müsste strafrechtlich verfolgt werden – unter anderem weil die Ärzte, welche das tödliche Rezept ausstellen, sowie die Sterbebegleiter ein nicht unbedeutendes Honorar erhielten.

 

Die angeregte Diskussion auf dem Podium und im Saal gipfelte in dem Fazit, dass ein Todeswunsch keineswegs auch einen Tötungswunsch bedeute. Statt der menschenverachtenden Angebote der Sterbehilfeorganisationen seien palliative Angebote zu unterstützen und zu fördern, bei denen der Schwerpunkt auf der Linderung der Beschwerden und der persönlichen Begleitung der Schwerkranken liegt. Bei palliativen Angeboten mit dem Ziel einer möglichst hohen Lebensqualität von unheilbar Erkrankten unter Einbezug von sozialen, psychischen und religiösen Faktoren besteht nach wie vor ein enormer Nachholbedarf. Gerade St.Gallen geht hier mit einer umfassenden Zusammenarbeit zwischen Spitälern und privaten Organisationen wie der Krebshilfe mit gutem Beispiel voran. Solches muss auch im Rest der Schweiz Schule machen.

 

St.Gallen, den 26. Januar 2007/nh