Die EVP wird die Mindestlohn-Initiative diese Woche im Parlament ablehnen. Zwar hat EVP-Nationalrätin Maja Ingold als ehemalige Sozialvorsteherin von Winterthur mit ca. 3000 unterstützungspflichtigen Haushalten natürlich Sympathien für eine Vorlage, welche vielen den Gang zum Sozialamt ersparen will. Eine gezielte Bekämpfung gerade der Familienarmut sei zentral. Doch ein Mindestlohn sei nicht der richtige Weg: „Erstens hilft der Mindestlohn vielleicht Alleinstehenden, nicht aber Familien mit tiefen Einkommen. Sie werden weiterhin Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen. Zweitens lässt sich Armut in der Schweiz nur teilweise durch niedrige Löhne erklären. Viele Sozialhilfebeziehende haben gar keine Arbeit. Wenn man die Armut wirksam bekämpfen will, ist der Mindestlohn das falsche Instrument.“ Viel sinnvoller sei es, Gesamtarbeitsverträge zu fördern, indem sie zum Beispiel vereinfacht allgemein verbindlich erklärt werden können.
Arbeitsplätze würden wegrationalisiert
Ein Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde oder 4000 Franken pro Monat würde zweifelsohne Veränderungen im Arbeitsmarkt auslösen. „Wenn die unqualifizierte Arbeit verteuert wird, führt das zu Kündigungen und einer nochmaligen Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen. Einige werden zwar mehr verdienen, doch viele andere ihren Job verlieren“, befürchtet Ingold. Vor allem fragile Risikogruppen wie Jugendliche ohne Berufserfahrung würden noch stärker unter Druck gesetzt. „Wenn wir es nicht schaffen, diesen jungen Menschen eine Perspektive zu geben, werden sie zeitlebens vom Staat abhängig bleiben. Das wäre auch volkswirtschaftlich der allergrösste Fehler“, warnt die Sozialpolitikerin.
Initiative erschwert Vereinbarungen über Teillöhne
Für die Wiederintegration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt brauche es flexible Teillohnmodelle, bei denen Arbeitgebende schwer Vermittelbare anstellen und ihnen einen Lohn auszubezahlen, welcher der erbrachten Leistung entspricht. Dieser wird dann von der Sozialhilfe ergänzt. Die Mindestlohninitiative erschwere solche Vereinbarungen und führe dazu, dass die Arbeitgeber abwinken und die Langzeitarbeitslosen der gesellschaftlichen Isolation und Desintegration überlassen würden.
IV-Beziehende könnten kaum mehr eingegliedert werden
Dann seien da noch die bekanntlich 17‘000 IV-Beziehenden, welche man mit der IV-Revision 6a wieder in den Arbeitsmarkt eingliedern wolle. „Je fixer die Löhne gesetzt sind, desto weniger werden die Arbeitgebenden bereit sein für Arbeitsversuche und vor allem für unbefristete Arbeitsverträge, welche die IV wirklich entlasten“, vermutet Nationalrätin Maja Ingold und kommt zu ihrem Fazit: „Eine Volksinitiative, welche die Armut bekämpfen will, darf erstens die Erwerbsquote nicht gefährden und muss zweitens die Flexibilität von Arbeitgebenden erhalten, um mit weniger leistungsfähigen Menschen faire und kluge Lohnvereinbarungen zu treffen. Diese Initiative hält nicht, was sie verspricht und ist deshalb abzulehnen.“
Bern, den 26. November 2013/nh