Heute Samstag findet in Arbon die 93. ordentliche DV der EVP Schweiz statt. Am Nachmittag stehen die statutarischen Geschäfte auf dem Programm, am Morgen haben die Delegierten die EVP-Parolen zu den Vorlagen vom 17. Juni 2012 beschlossen. Nach einer besinnlichen Einleitung und zwei Grussworten von Stadt und EVP Arbon redete Nationalrat Hans Fehr (SVP, ZH) der Volksinitiative „Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik“ das Wort. Das obligatorische Staatsvertragsreferendum schaffe eine solide Basis für die dauernde Mitsprache und Mitentscheidung des Volkes in zentralen Angelegenheiten der Aussenpolitik. Damit die direkte Demokratie in der Schweiz einzigartig bleibe, müssten die politischen Mitbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger weiterentwickelt werden. Dem entgegnete Nationalrätin Marianne Streiff (EVP, BE), dass Staatsverträge schon heute demokratisch legitimiert seien und dem fakultativen Referendum unterliegen würden. Dieses sei in der Vergangenheit nur zehn Mal ergriffen worden und nur in zwei Fällen erfolgreich gewesen. Jährlich müsste mit bis zu acht zusätzlichen Abstimmungsvorlagen gerechnet werden. „Das lässt sich nie rechtfertigen angesichts der grossen Übereinstimmung zu den meisten dieser Vorlagen“, betonte Marianne Streiff. Die EVP-Delegierten teilten diese Sicht und sahen keinen Nutzen in einer grundsätzlichen Neuordnung der Kompetenzen zwischen Souverän und Parlament. Sie fassten klar mit 99 zu 1 Stimmen die Nein-Parole zur Volksinitiative „Staatsverträge vors Volk.“
Anschliessend warb Nationalrätin Maja Ingold (EVP, ZH) für ein Ja zur Managed-Care-Vorlage. Mit der Revision sollen Ärztenetzwerke zum Normalfall werden. Diese brächten mehr Behandlungsqualität bei tendenziell tieferen Kosten. Die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre hätten gezeigt, dass es weniger Lücken, Doppelspurigkeiten und Missverständnisse gebe. Die Versicherten sollen durch einen tieferen Selbstbehalt zum Wechsel bewogen werden. Wer das nicht wolle, bezahle maximal 300 Franken mehr pro Jahr. Das sei vertretbar, meinte Maja Ingold. Nationalrätin Bea Heim (SP, SO) warnte hingegen vor einer Zweiklassenmedizin, sah die freie Arztwahl in Gefahr und geisselte die Vorlage als unsozial. Für chronisch Kranke sei Managed Care ein Rückschritt, weil sie unter Umständen nicht mehr von ihren angestammten Ärzten behandelt werden könnten. Diese Tatsache wurde in der anschliessenden Diskussion nicht bestritten und von den EVP-Delegierten als Wermutstropfen betrachtet. Für eine Mehrheit überwogen die Chancen von Managed Care jedoch und die EVP beschloss mit 64 zu 26 Stimmen die Ja-Parole zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (Managed Care).
Schliesslich präsentierte EVP-Präsident Heiner Studer die Volksinitiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“ und konnte dabei weitgehend die Argumente gegen die Bausparinitiative vom März wiederholen, welche von den EVP-Delegierten deutlich abgelehnt worden war. Das Bausparen sei ineffizient und ungerecht: „Es profitieren nicht die Schwellenhaushalte: Sie verdienen zu wenig, um überhaupt für ein Haus sparen zu können. All jene hingegen, die genügend Geld haben, um zu bauen und ohnehin bauen werden, werden das Instrument benutzen und entsprechend Steuern sparen. Wir unterstützen ausgerechnet jene, die es nicht nötig haben.“ Die Bausparinitiative sei nichts anderes als ein verstecktes Steuergeschenk an Gutverdienende und deshalb abzulehnen. Die EVP-Delegierten schlossen sich dieser Argumentation nach kurzer Diskussion an und fassten mit 88 zu 5 Stimmen die Nein-Parole zur Bausparinitiative II.
Am Nachmittag standen im Arboner Seeparksaal die statutarischen Geschäfte auf dem Programm. EVP-Präsident Heiner Studer erstattete über das vergangene Jahr Bericht , Generalsekretär Joel Blunier erzählte aus dem Parteileben, Finanzchef Roman Rutz legte die Jahresrechnung 2011 und das Budget 2013 vor. Alle vier Jahre stehen zudem Wahlen an: Heiner Studer wurde für eine weitere Amtsperiode als Parteipräsident gewählt. Auch der Zentralvorstand wurde einer Gesamterneuerungswahl unterzogen und zu rund einem Drittel mit neuen EVP-Vertreter/-innen aus den Kantonen ergänzt.
Arbon, den 31. März 2012/nh