Heute Nachmittag behandelt der Nationalrat die Familieninitiative der SVP. Diese will einen Eigenbetreuungsabzug einführen, der mindestens so gross ist wie der Fremdbetreuungsabzug. Damit werden alle Familien in denselben Topf geworfen und das Steueraufkommen wesentlich gesenkt. Für Nationalrätin Marianne Streiff (EVP, BE) ist entscheidend, dass „Eltern frei entscheiden können, ob sie ihre Kinder selber betreuen oder fremd betreuen lassen wollen. Keine Form der Kinderbetreuung soll bevorzugt werden.“ Sie hat deshalb einen Rückweisungsantrag eingereicht und will mit einem indirekten Gegenvorschlag einen Mittelweg einschlagen zwischen der totalen Gleichbehandlung gemäss Initiative und der heutigen Situation, die als klare Bevorzugung von Eltern mit Fremdbetreuung empfunden wird.
Denn Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, haben in mehrfacher Hinsicht das Nachsehen. Sie beanspruchen keine Kita-Plätze, profitieren nicht von den entsprechenden Subventionen und können keinen Fremdbetreuungsabzug geltend machen. Diese Ungleichbehandlung muss korrigiert werden. Auf der anderen Seite können Eltern, die ihre Kinder fremd betreuen lassen, ein höheres Einkommen erzielen und bezahlen entsprechend höhere Steuern. Das Geld, das sie für die Kinderbetreuung einsetzen, steht ihnen nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund ist ein gewisser Fremdbetreuungsabzug gerechtfertigt. Die Initiative wird diesem Umstand nicht gerecht, schiesst über das Ziel hinaus und führt zu neuen Ungerechtigkeiten.
„Die beste Lösung wäre eine Erhöhung der Kinderzulagen“, ist Marianne Streiff überzeugt. „Jede Familie könnte frei entscheiden, ob sie das Geld in die familienexterne Kinderbetreuung investieren oder auf zusätzliche Einkommen verzichten und die Kinder selber betreuen möchte. Leider stehen die entsprechenden Finanzen heute nicht zur Verfügung.“ Marianne Streiff schlägt deshalb ein Modell vor, bei dem die Kinderabzüge für alle erhöht werden. Nur wenn die Betreuungskosten nachweislich höher sind als diese Kinderabzüge sollen sie (bis zu einem definierten Maximum) abzugsfähig sein. Dieses Modell berücksichtigt die Kinderkosten besser und kommt der gewünschten Wahlfreiheit recht nahe.
EVP-Nationalrätin Maja Ingold (ZH) macht auf einen weiteren, wichtigen Aspekt aufmerksam: der weitgehend überholten Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigenbetreuung. Ihre 6 Enkel würden weitgehend selbstbetreut. 2 Familien gehörten nach der heutigen Definition zu den „Fremdbetreuenden“, weil sie die Kita 1 Tag pro Woche in Anspruch nähmen. Die dritte Familie zähle zu den „Selbstbetreuenden“, weil sie ihre Kinder von Grosseltern, Tanten und Nachbarn im privaten Abtausch betreuen lasse. Entsprechend realitätsfern sei die Einteilung zwischen fremd- und selbstbetreut, wenn man die effektive Zeit betrachte, welche die Familie mit ihren Kindern verbringe. „Es ist schlicht nicht adäquat, die Trennlinie zwischen Selbst- und Fremdbetreuung bei der Kostenpflicht anzusetzen“, gibt Maja Ingold zu bedenken.
Bern, den 15. April 2013/nh