Die EVP hat die Abzockerinitiative bei der Unterschriftensammlung unterstützt. Gewisse Mängel der Initiative sind zwar nicht zu übersehen. Aber sie hat für den nötigen Druck gesorgt, damit bei der Aktienrechtsrevision Nägel mit Köpfen gemacht würden.
Die Abzockerinitiative hat genützt: Nun liegt ein Gegenvorschlag mit einigem Biss vor. Die EVP-Nationalräte werden diesen Gegenvorschlag unterstützen und alle Vorschläge mittragen, die diesen Gegenvorschlag noch etwas schärfer machen.
Wir werden zum heutigen Zeitpunkt aber auch der Minder-Initiative zustimmen. Als Pfand in der Hand bis wir sehen, wie der direkte Gegenvorschlag definitiv aussieht. Nicht nur im Nationalrat, sondern auch im Ständerat.
SVP und FDP, am Gängelband ihrer Geldgeber und hörig gegenüber Economiesuisse, möchten gerne mit taktischen Unterzügen und Spielchen die ganze Sache auf die Zeit nach den eidgenössischen Wahlen vom Herbst des nächsten Jahres hinaus schieben. Davor möchte ich eindringlich warnen. Das Volk ist zornig und nicht bereit, von politischen Taktikern noch lange hingehalten zu werden. Es will Transparenz und griffige Instrumente gegen die Abzockerei. Sehr zu Recht, wie wir meinen.
Allerdings: Ich mache schon heute darauf aufmerksam, dass mit oder ohne Abzockerinitiative, mit oder ohne Gegenvorschlag das, was das Volk beschäftigt und das, was das Volk will, noch längst nicht abgedeckt ist. Denn praktisch alle Massnahmen von Minder oder auch des Gegenvorschlages gehen nur darauf hinaus, mehr Transparenz zu schaffen und die Aktionärsrechte zu stärken. Und wer sind denn diese Aktionäre, von denen man hofft, dass sie vermehrt nun den Abzockern und vergoldeten Bankern an den Kragen gehen?
Das Aktienkapital von den grossen Gesellschaften ist ja nur zu einem geringen Teil in der Hand von Menschen wie Du und ich, von kleinen Leuten, vom Volk. Vielmehr sind die grossen Aktienpakete in der Hand der Versicherungen, von Pensionskassen, von Banken, von grossen Finanzjongleure, von Milliardären. Und was wollen die, wenn sie Aktien eines Unternehmens kaufen: In allererster Linie hohe Renditen, hohe Gewinne. Und sie sind diejenigen, die denen, die ihnen diese Gewinne verschaffen, auch weiterhin hohe und höchste Boni zugestehen werden.
Darum: Was wir heute tun, ist gut. Aber nur ein Anfang. Wir müssen auf einer anderen grundsätzlicheren Ebene das Problem weiter angehen. Das habe ich anzustossen versucht und als ersten Schritt einmal den Bundesrat im letzten Herbst folgendes gefragt:
- Sieht der Bundesrat in den exzessiven Bezügen der Topmanager ebenfalls eine Gefahr für den sozialen Frieden und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft?
- Ist er ebenfalls der Meinung, dass diesen gefährlichen Auswüchsen mit gesetzlichen Schranken entschieden entgegengetreten werden muss?
- Ist er nicht auch der Meinung, dass die exzessiven Bezüge in den Teppichetagen eine tief ethische Komponente tangieren sowie Werte verletzen, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist?
- Ist er daher bereit, die Problematik nicht nur zaghaft im Bereich der Aktiengesellschaft, sondern umfassender anzugehen, also beispielsweise im Arbeitsrecht, im allgemeinen Teil des OR oder gar mit einer Bestimmung in der Verfassung?
- Ist ihm bewusst, dass er andernfalls Gefahr läuft, dass das Volk Initiativen annimmt, die in unserer Rechtsordnung zu anderen erheblichen Problemen und Nachteilen führen könnten?
Begründung
In Teilen der Wirtschaft sind im Laufe der letzten Jahrzehnte die Bezüge und Entschädigungen der obersten Führungsorgane sprunghaft in schwindelerregende Höhen gestiegen. Es ist keine Seltenheit, dass Mitglieder der Geschäftsleitungen bis hundertmal so viel wie ihre Putzfrau verdienen oder gar noch mehr, und dies nicht nur bei hervorragendem Geschäftsgang, sondern auch in schlechten Zeiten. Zudem tragen die obersten Manager kein unternehmerisches Risiko und haften nicht mit eigenem Vermögen.
Die enormen Lohnunterschiede können nicht mehr begründet werden, und sie werden von breiten Teilen der Bevölkerung als schlagende Ungerechtigkeit empfunden. Deshalb bergen sie grossen sozialen Sprengstoff und gefährden den sozialen Frieden und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Dies wiederum könnte mittel- bis langfristig verheerend auf die Wirtschaftsleistung und den Wohlstand des Landes zurückschlagen.
Die Problematik ist auch weltweit erkannt. Die Staatschefs der G-20-Länder wollen den extremen Auswüchsen entgegensteuern. Auch der Bundesrat sieht einen gewissen Handlungsbedarf. Dem will er mit einigen Einschränkungen im Aktienrecht Rechnung tragen. Diese sind indessen zu wenig griffig und, wie sich bei den laufenden Beratungen der Revision des Aktienrechts immer deutlicher zeigt, am falschen Ort platziert.