Ein weltoffener Brückenbauer als «Aussenminister der EVP»


Nik Gugger schafft Mehrheiten, indem er auch mal ein Tabu bricht. Er politisiert für ein ethisch sozialverantwortliches Unternehmertum und lebt es gleich selbst vor. Er steht hinter den christlich-abendländischen Werten, will aber mit einer progressiven Politik auch andere Menschen ansprechen: Der neue EVP-Nationalrat im Interview.

Nik, am 27. November wirst du vor der vereinigten Bundesversammlung als EVP-Nationalrat vereidigt. Was bedeutet dieser Schritt für Dich persönlich?

Zunächst einmal bedeutet es für mich eine grosse Herausforderung, auch eine grosse Verantwortung und last but not least einen mutigen Schritt.

Weshalb braucht es Mut?

Man steht im Schaufenster, im Glashaus, kann es nicht allen recht machen. Ich bin Unternehmer und ein typischer Mitte-Politiker. Und als solcher braucht es Mut, weil man es mal eher dem rechten, mal eher dem linken Flügel recht macht oder innerhalb der EVP mal eher dem bürgerlichen, mal eher dem sozialen Flügel. Es braucht Kraft und den Mut, zu seinen Herzensthemen zu stehen.

«Es braucht Kraft und den Mut, zu seinen Herzensthemen zu stehen.»

Du wirst der erste Schweizer mit indischen Wurzeln im Schweizer Nationalrat. Was geht dir dabei durch den Kopf?

Für mich ist das eine Ehre. Von meiner Lebensgeschichte her erfüllt es mich mit Stolz und einer gewissen Demut, mit meinen indischen Wurzeln der erste Native-Indian im Schweizer Parlament zu sein.

Welche Themen liegen Nik Gugger besonders am Herzen? Wofür willst du dich einsetzen?

Dadurch, dass ich international aufgewachsen bin, liegen mir aussenpolitische Themen sehr am Herzen: Einerseits humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit oder die Menschenrechte, aber andererseits auch unternehmerische Fragen im Bereich der Freihandelspolitik. Ebenso die Thematik des unternehmerisch-ethischen Wirtschaftens.

Welche Ziele hast du dir als Nationalrat für dich selbst und für die EVP Schweiz gesetzt?

Ich darf mit der EVP in ein neues Jahrhundert starten. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, dass wir weiterhin am Puls der Zeit politisieren, unser Profil als weltoffene Partei schärfen und national wahrgenommen werden. Die EVP macht sehr gute und akribische Arbeit, aber in ihrer Aussenwirkung kann sie noch zulegen. Ich stehe als Middle-Ager zwischen zwei Generationen, bin relativ unkompliziert und habe ein sehr weites Spektrum. Das heisst für mich: Traditionelles bewahren, aber auch Neues wagen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht auf moralische oder religiöse Themen reduzieren lassen. Ich war zum Beispiel der erste, der im Zürcher Kantonsrat das Thema digitale Sicherheit auf den Tisch brachte, also die Frage, wie wir uns und unsere digitalen Daten im Netz besser gegen Missbrauch schützen können.

«Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht auf moralische oder religiöse Themen reduzieren lassen.»

Du hast innerhalb der CVP-Fraktion den Platz in der Aussenpolitischen Kommission (APK) angeboten bekommen. Welche Themen erwarten dich und welchen Zugang hast du dazu?

Die APK war eine meiner drei Wunschkommissionen. Sie beschäftigt sich mit Themen, die mir alle, wie gesagt, persönlich sehr am Herzen liegen: Diplomatie, Entwicklungshilfe, humanitäre Hilfe, Schengen- Fragen, internationale Beziehungen, auch Handelsabkommen u.a.m. Ich bin bis zu meinem 4. Lebensjahr in Indien aufgewachsen, Themen wie Entwicklungshilfe oder humanitäre Hilfe waren bei uns zuhause am Familientisch immer präsent, da mein Vater ja unter anderem fürs HEKS im Einsatz war. Später habe ich selbst in Kolumbien gearbeitet, war Teil des Care-Teams des EDA im Tsunami- Gebiet in Thailand und in Ägypten nach dem Attentat von Sharm el-Sheikh.

Du giltst als visionärer Querdenker – wo würdest du dir wünschen, dass die Schweiz anders unterwegs wäre?

Im Bereich Arbeitslosigkeit wünsche ich mir, dass sich die Schweiz auf ihre Werte besinnt und das ethische unternehmerische Wirtschaften wieder stärker gelebt wird: Weniger Shareholder Value, mehr soziale Verantwortung bei den Unternehmen. Auch sollte mehr generationenübergreifend gearbeitet werden. Wir müssen die über 50-Jährigen mehr stärken und fördern. Das kann man nicht nur per Gesetz machen, da muss man bei den Leuten direkt das Bewusstsein dafür schaffen. Da kann ich auch etwas beitragen, weil ich es ja selbst tagtäglich lebe.

«Ich wünsche mir, dass das ethische unternehmerische Wirtschaften wieder stärker gelebt wird: Weniger Shareholder Value, mehr soziale Verantwortung bei den Unternehmen.»

Die NZZ schrieb einmal, du hättest mit «pragmatisch dosierten Tabubrüchen» verhärtete Fronten oder Blockaden aufgebrochen. Gibst du uns eine Kostprobe?

Im Zürcher Kantonsrat brach ich das Tabu-Thema der «Ü50», der über 50jährigen Arbeitnehmenden. Einhellig herrschte im Rat die Meinung, man solle das Problem übers Sozialhilfegesetz lösen. Ich fragte die anwesenden Gemeindepräsidenten, ob sie wirklich alle diese Menschen einfach in die Sozialhilfe abschieben wollten. Ich schaffte es mit diesem Tabubruch, die Mehrheitsfraktionen SP und SVP für mein Postulat zu gewinnen. Dieses forderte den Regierungsrat auf, zu prüfen, wie die Gemeinden verpflichtet werden können, die Ü50 zu integrieren.

Was für ein Mensch ist Nik Gugger: wie würdest du dich selbst beschreiben?

Unkompliziert. Offen, auch Neuem gegenüber. Neugierig. und interessiert am Gegenüber. Ein Menschenfreund und ein Unternehmer, also einer, der etwas unternimmt. Einer, der Freude hat, mit den Menschen Tischgemeinschaft zu pflegen. Extrovertiert. Ich bin relativ furchtlos. Ich gehe auf etwas zu. Gleichzeitig bin ich sensibel und harmoniebedürftig. Ich mag Konflikte nicht sonderlich, aber ich nehme sie um der Sache willen in Kauf.

Wo siehst du deine Stärken und wie willst du sie in deine Arbeit als Parlamentarier einfliessen lassen?

Meine grosse Stärke ist Diplomatie. Ich gelte als Brückenbauer, der Menschen für etwas motivieren und begeistern kann und dadurch Mehrheiten schafft.

Was dürfen wir von der neuen Ära mit Nationalrat Nik Gugger erwarten? Wird sich etwas verändern und wenn ja, was?

Ich übernehme von Maja ein sehr grosses Erbe, dessen bin ich mir bewusst. Was man von mir erwarten darf: Ich bin der, der vernetzt, der versucht, Mehrheiten zu schaffen über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg. Ich verstehe mich ein Stück weit als «Aussenminister der EVP».

«Mir ist es ein grosses Anliegen kirchenferne Menschen abzuholen, die die an Werten orientierte Politik der EVP schätzen.»

Mir ist es ein grosses Anliegen kirchenferne Menschen abzuholen, die die an Werten orientierte Politik der EVP schätzen. Auch haben wir uns bisher zu wenig um die Generation X&Y gekümmert. Da müssen wir noch zulegen. Deshalb setze ich auf ein starkes Community-Building der EVP.

Wie sieht dein Traum für die EVP aus?

Mein Traum ist, dass wir noch geschlossener auftreten und unser Land mitgestalten. Dass die EVP weiterhin werteorientiert, aber gleichzeitig offener für Leute jeglicher Couleur politisiert. Dass sie noch progressiver wird. Ich sage dem «wertprogressiv», das heisst Werte bewahren, aber auch Neues wagen. Wir sind ein christliches Abendland und diese christlich- abendländischen Werte sind mir heilig.

Welche dieser christlichabendländischen Werte möchtest du in der Politik leben?

Das christliche Gedankengut ist mein Leitfaden. Jesus war offen gegenüber allen Menschen, er hat sich mit allen an einen Tisch gesetzt, er hat niemanden ausgegrenzt. Er war auch offen gegenüber Flüchtlingen. Mir macht es Angst, wenn wir als Schweiz anfangen, darüber nachzudenken, dass das Boot voll sein könnte. 

«Es geht für mich nicht an, dass man in der Schule nicht einmal mehr christliche Weihnachtslieder singen darf.»

Auf der anderen Seite sage ich auch klar: Der Islamismus darf uns nicht bestimmen. Ich bin auch strikt dagegen, dass man das Kreuz aus der Schule verbannt. Es geht für mich nicht an, dass man in der Schule nicht einmal mehr christliche Weihnachtslieder singen darf.