Profit oder Jugendschutz?

Das neue Tabak­pro­duk­te­ge­setz sollte den Tabak­kon­sum in der Schweiz ver­rin­gern sowie den Kinder- und Jugend­schutz stär­ken. Doch was im Herbst 2021 nach 6-jährigem par­la­men­ta­ri­schen Hin und Her bezü­glich Wer­beein­schrän­kun­gen verab­schie­det wurde, war ledi­glich für die Taba­kin­dus­trie ein Sieg. Ein wirk­sa­mer Jugend­schutz blieb weit­ge­hend auf der Strecke. Jetzt ruhen die Hoff­nun­gen auf der Ini­tia­tive «Kin­der ohne Tabak».

Tabak­kon­sum ist die häu­fig­ste ver­meid­bare Tode­sur­sache in der Schweiz und eines der mas­sivs­ten Pro­bleme für die öffent­liche Gesund­heit. Mehr als zwei Mil­lio­nen Men­schen rau­chen, jedes Jahr ster­ben 9500 davon an den Fol­gen. Jähr­lich (!) ents­te­hen drei Mil­liar­den Gesund­heits­kos­ten sowie zwei Mil­liar­den Ver­luste für die Wirt­schaft. Und das Schlimm­ste:  Bei­nahe 60 Prozent aller Rau­che­rin­nen und Rau­cher haben bereits als Min­derjäh­rige mit dem Rau­chen ange­fan­gen. Tabak­kon­zerne ködern gezielt junge,  beein­fluss­bare Jugend­liche an Kon­zer­ten und Fes­ti­vals, in Gra­tis­zei­tun­gen, Inter­net und Social Media. Denn wer jung zu rau­chen anfängt und niko­ti­nabhän­gig wird, wech­selt spä­ter meist nicht mehr die Marke. Und prak­tisch alle Stu­dien bele­gen: Je mehr Kin­der und Jugend­liche Tabak­wer­bung aus­ge­setzt sind, desto häu­fi­ger fan­gen sie an, Tabak zu kon­su­mie­ren.  
2004 unter­zeich­nete der Bun­des­rat die WHO-Rahmenkonvention zur Eindäm­mung des Tabak­ge­brauchs. 17 Jahre sind sei­ther ver­gan­gen, ohne dass die Schweiz − als eines der weni­gen Län­der in Europa − die­sen Ver­trag rati­fi­zie­ren konnte. Alle Ver­suche, die darin zuge­sag­ten Geset­ze­san­pas­sun­gen zum Schutz Jugend­li­cher vor Tabak­wer­bung umzu­set­zen, schei­ter­ten am Widers­tand der Tabak­lobby und deren Ver­tre­ter im Par­la­ment. Zur Erin­ne­rung: Drei der vier welt­wei­ten Tabak­mul­tis haben ihren Haupt­sitz oder einen wich­ti­gen Stan­dort in der Schweiz.  Auch der erste Ent­wurf des aktuel­len Tabak­pro­duk­te­ge­setzes wurde 2016 wegen «zu wei­trei­chen­der» Wer­beein­schrän­kun­gen zurück­ge­wie­sen. Der alt­be­kannte Ziel­kon­flikt trat offen zutage: Pro­fit­maxi­mie­rung der Taba­kin­dus­trie ver­sus Gesund­heits­prä­ven­tion und wirk­sa­mer Jugend­schutz. Auch das neue Gesetz erlaubt wei­te­rhin Wer­bung in Gra­tis­zei­tun­gen, an Kios­ken, im Inter­net, d.h. auf allen Social Media-Kanälen sowie an Fes­ti­vals – also genau jene Wer­bear­ten, die beson­ders viele Jugend­liche errei­chen. Es bremst damit den Kinder- und Jugend­schutz fak­tisch aus. Und: Die Schweiz kann die WHO-Konvention auch wei­te­rhin nicht unter­schrei­ben. Die Ini­tia­tive «Kin­der ohne Tabak» for­dert deshalb einen lücken­lo­sen Schutz der Jugend vor Tabak­wer­bung. (dm)

 

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