Die EVP kann Exekutive.

«Das Leben ist kein Selbstzweck, sondern ein Auftrag, sich für andere Menschen zu engagieren.»

Am 2. Februar 2023 wurde EVP-Parteigeschichte geschrieben. Thomi Jourdan schaffte die Wahl in den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Es ist der erste Sitz in einer Kantonsregierung für einen EVP-Vertreter.  Seit Juli 2023 ist Thomi Jourdan nun Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und steht dabei der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion vor. Im Wahlkampf um den Sitz in der Kantonsregierung betonte er die Personenwahl, dennoch steht er aus voller Überzeugung zur EVP. In erster Linie seien es die Art, wie man nach Lösungen sucht, die innere Haltung und die zugrundeliegenden Werte, die ihn mit seiner Partei verbinden. Im Interview erzählt der mitreissende Menschenfreund, was ihn antreibt.

Interview mit Regierungsrat Thomi Jourdan

Thomi Jourdan, seit über 25 Jahren bist du politisch engagiert. Wozu? Was begeistert dich am Politisieren?

Für mich war immer klar, dass man die Möglichkeiten, Talente und Chancen, die man im Leben bekommt, für die Gesellschaft einsetzen soll. So engagierte ich mich schon in der Schule, im Studium und dann auch in der Politik. Da hatte ich das Glück, dass ich bei der ersten Kandidatur auf den Ersatzplatz für den Landrat kam und mit 26 Jahren bereits nachrücken durfte. Ich fand meine Leidenschaft dann aber abseits von Parteikämpfen in der Exekutive von Muttenz. Ich habe mich nie als den klassischen Politiker verstanden. Die Exekutive war für mich mehr wie ein zweiter Job im Dienste der Gesellschaft.

Wie unterscheidest du dich von einem klassischen Politiker?

Parlamentspolitik ist sehr geprägt von grundsätzlichen Haltungen, die in der Partei erarbeitet wurden. Exekutivpolitik hingegen ergibt sich aus der Aufgabe heraus, wobei der parteipolitische Hintergrund oft nicht relevant ist. Deshalb fühle ich mich auch sehr wohl bei der EVP – nicht ein politisches Profil oder die Abgrenzung von Anderen ist die treibende Kraft, sondern Menschen, die sich einbringen und der Gesellschaft etwas zurückgeben möchten.

Wie hat dein persönliches Umfeld deine politische Laufbahn beeinflusst?

Wir waren eine sehr leidenschaftlich diskutierende Familie. Dort lernte ich meine Meinung zu vertreten und darin herausgefordert zu werden. Und in unserer Familie war man immer auch Teil der Gesellschaft und wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Deshalb möchte auch ich mitgestalten.

Du hast als Streetworker, HR-Leiter und Geschäftsführer gearbeitet. Was hast du daraus mitgenommen?

Ich habe gelernt, dass man immer und überall prägend sein kann. Kürzlich traf ich im Rahmen eines Medienrundgangs zur Umsetzung der Pflegeinitiative eine Berufsbildungsverantwortliche, die mich ansprach und erzählte, dass ich sie vor über 20 Jahren damals als Streetworker ermutigte, in die Pflege zu gehen und eine Lehre zu machen. Es ist grossartig zu sehen, wie das, was wir machen, eine Wirkung im Leben anderer hat. Das ist der Antrieb in meinem Leben: Das Leben ist kein Selbstzweck, sondern ein Auftrag, sich auch für andere Menschen zu engagieren. Das ist auch mein Wünsch für den Regierungsrat, dass man spürt, dass ich mit Mut und Leidenschaft vorwärts gehe, mir treu bleibe und primär den Menschen dienen möchte.

Du bist der erste Regierungsrat der EVP. Was bedeutet das für dich persönlich?

Auch wenn es nach Pathos klingt: Für mich ist es ein unglaubliches Privileg. Es war nie eine Lebensplanung, deshalb ist es umso schöner. Es steht viel eigenes Engagement dahinter, vor allem aber die Begleitung von vielen, unglaublich tollen Menschen. Und ich hoffe natürlich auch, dass es hilft, die EVP sichtbarer zu machen, dass wir zeigen können: Die EVP kann Exekutive. Das zeigen wir schon lange in vielen Gemeinden und jetzt können wir das erstmals hoffentlich auch auf kantonaler Ebene zeigen. So ist es auch eine Verantwortung der EVP gegenüber.

Sprechen wir über deine Wahl. Wie gelang die Sensation?

Das Entscheidende war: Alles geben! Alles auf eine Karte setzen und es wirklich wollen. Mit der Kandidatur kündigte ich auch meine Stelle als Geschäftsführer. Das war die Idee meiner Frau, allein hätte ich den Mut dafür nicht gehabt. Es hat dann zur Botschaft gepasst. Wir haben eine Kampagne gefahren, wo wirklich für alle klar war: «Thomi will in diese Regierung und traut sich das zu.» Wir haben alle Kanäle bespielt, jeden Ort bereist in diesem schönen Kanton. So entwickelte sich dann eine Geschichte vom Aussenseiter zum Geheimtipp.

Wie war dein Team für den Wahlkampf aufgestellt?

Das Team bestand aus vier Elementen. Ein Wahlkampfteam von drei Personen führte die Kampagne. Das «Energy-Team» unterstützte mich als Kandidaten, damit ich bei Kräften bleibe. Das Team von Helferinnen und Helfern hängte zum Beispiel die vielen Plakate auf. Ein Gebetsteam stärkte mir geistlich den Rücken in diesem Sturm des Wahlkampfs. Und nicht zuletzt war es meine Familie, die es als gemeinsame Mission verstand. Auch heute noch: Wir sind als Familie Regierungsrat.

Man suchte das EVP-Logo auf deinem Wahlplakat vergeblich. Hast du deine Parteizugehörigkeit als Nachteil empfunden?

Nein, im Gegenteil. Aber die Exekutive ist in erster Linie eine Management-Aufgabe. Entscheidend ist es, welche Menschen in diesem Amt sind und nicht das politische Lager. Heute kann ich als EVP-Regierungsrat ohne die Agenda einer grossen Partei meine eigenen Ideen einbringen, was meiner Arbeit Glaubwürdigkeit verleiht und Vertrauen schafft. Gleichzeitig fühlte ich mich der EVP so nahe wie noch nie. Das wegen der engen Zusammenarbeit und dem tiefen Vertrauen. Die Menschen in der EVP sind mein sicherer Hafen, ein Ort, wo ich mich aufgehoben fühle.

Die Menschen in der EVP sind mein sicherer Hafen, ein Ort, wo ich mich aufgehoben fühle.

Die EVP betont ethische Grundwerte in der Politik. Wie integrierst du diese Werte in deine tägliche Arbeit als Regierungsrat?

Es geht immer um Menschen. Es geht darum, mit Menschen gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Die Art und Weise, wie ich auf Menschen zugehe, sie einbeziehe, meine Ideen einzubringen versuche und gleichzeitig zuzuhören für meine Entscheidungsfindung – das ist mein zentraler Wert als Regierungsrat. Gleichzeitig trage ich aber allein die Verantwortung für meine Entscheide, das kann ich nicht delegieren. Dafür muss ich bereit sein, für Fehlentscheide um Entschuldigung zu bitten.

Wann musstest du dich zuletzt entschuldigen?

Vorgestern. In der Beantwortung eines Vorstosses haben wir – beziehungsweise am Ende eben ich – eine Fehlaussage gemacht. Deshalb habe ich die betroffene Institution angerufen und um Entschuldigung gebeten. Ausserdem werde ich diesen Fehler auch vor dem Parlament nochmals eingestehen. Dieser Weg ist ehrlich, authentisch und fördert eine Vergebungskultur.

Seit Juli 2023 bist du Regierungsrat. Wie hast du diese neue Rolle erlebt?

Am Anfang fühlte es sich an, wie unter einer Welle beinahe unterzugehen. Der Start war eine komplette inhaltliche Überforderung – das habe ich aber auch erwartet und ist normal. Dann konnte ich immer mehr mitschwimmen und irgendwann auf der Welle reiten.

Mit dem "Fünf-Punkte-Plan" zur Gesundheitspolitik möchtest du nun deine Akzente setzen.

Genau. Dabei geht es neben Zielsetzungen für die stationäre Versorgung und die regionale Gesundheitsplanung, unter anderem um die Forcierung der Ambulantisierung. Das heisst, die Erstversorgung soll wenn immer möglich ausserhalb der teuren Spitalinfrastrukturen durch ein Netzwerk von ambulant ausgerichteten Institutionen sichergestellt werden. Dazu gehören neben dem bestehenden Netz an Hausarztpraxen höher installierte Gesundheitszentren, medizinische Versorgungszentren und interdisziplinäre Praxisgemeinschaften, Apotheken mit ergänztem medizinischen Angebot, Telemedizin und weitere Angebote wie Hospital@Home.

Wichtig für die Ambulantisierung ist auch die einheitliche Finanzierung. Was erhoffst du dir von dieser Reform?

Diese Reform ist sehr wichtig, weil dadurch die Interessenslage zwischen den Kassen und den Kantonen gleichgeschaltet wird und damit alle das Ziel haben werden, wo immer möglich die wesentlich günstigeren ambulanten Eingriffe zu stärken. Zudem werden dadurch neue Versicherungsmodelle möglich. Das gibt Potential, das Kostenwachstum zu dämpfen.

Als einziger Regierungsrat gibst du der EVP auch ein Gesicht. Wie möchtest du, dass die EVP in der Zukunft wahrgenommen wird?

Ich glaube, mit unseren Werten und der Art wie wir politisieren, entsprechen wir einer überraschend breiten Bevölkerungsschicht. Es gelingt uns aber scheinbar noch nicht genügend, diese Menschen so abzuholen, dass sie es auch wagen, die EVP zu wählen. In Basel-Landschaft ist es gelungen und ich möchte weiterhin zeigen, dass es geht. Ich darf zeigen, dass die EVP unabhängig von parteipolitischen Machtansprüchen gute Lösungen erarbeitet. Ich hoffe, dass dieser Mut, den das Baselbiet gezeigt hat, belohnt wird, sich auf andere Kantone überträgt und sich auch bei Parlamentswahlen zeigt. Nicht weil wir so ein unglaublich einzigartiges Parteiprogramm haben, sondern weil wir die Sache über die Partei stellen. Das dürfen wir auch noch frecher und mutiger aufzeigen.

 

Thomi Jourdan ist 50 Jahre alt und lebt in Muttenz. Er ist verheiratet mit Jacqueline, hat vier Kinder und ist seit 2023 Regierungsrat im Kanton Basel-Landschaft. Zuvor war er 15 Jahre im Gemeinderat (Exekutive) von Muttenz und davor 8 Jahre im Landrat des Kantons Basel-Landschaft. Jourdan ist ausgebildeter Ökonom und Supervisor mit Führungserfahrung in Wirtschaft und Verwaltung.

www.thomijourdan.ch

Dieser Artikel von Dominic Täubert, Leiter Kommunikation EVP Schweiz, erschien in der Ausgabe 4/2024 des EVP-Mitgliedermagazins AKZENTE.