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Interview mit Kantonsrat André Wyss
Vor rund sechs Jahren wurde der damals neue EVP-Kantonsrat André Wyss auf einem Spielplatz plötzlich bewusstlos, sein Herz blieb stehen. André Wyss sieht sein Leben in den Händen Gottes und weiss, alles kommt gut. Zusammen mit seiner Frau Nicole schreibt er ein Buch über das einschneidende Erlebnis. Er erzählt im Interview, wie sich damit seine Perspektive auf das Leben und die politische Arbeit verschob.

André Wyss, 48
Rohr / Stüsslingen, verheiratet mit Nicole, Vater einer Tochter, seit 2018 Solothurner Kantonsrat für den Wahlkreis Olten-Gösgen, Gemeinderat, selbständiger Finanzberater.
andrewyss.ch
André Wyss, wir sind hier bei dir zu Hause in Rohr in der Nähe von Olten. Was verbindet dich mit diesem Ort?
Wir wohnen seit 15 Jahren hier in Rohr. Das hat sich durch unseren Hauskauf so ergeben, zuvor kannte ich das kleine Rohr kaum.
Bis zur Fusion mit Stüsslingen im Jahr 2021 war Rohr eine der kleinsten Gemeinden im Kanton Solothurn mit rund 100 Einwohnerinnen und Einwohnern. Du warst der letzte Gemeindepräsident. Wie war es, ein so kleines Dorf zu führen?
In einer so kleinen Gemeinde gibt es wenige, die für ein solches Amt in Frage kommen. Als Neuzuzüger wurde ich schnell angefragt, ob ich bereit wäre, eine politische Funktion im Gemeinderat und später als Gemeindepräsident zu übernehmen. Die Aufgabe war eher ein Verwalten als ein Gestalten, da wir von der Schule über die Feuerwehr bis zur Spitex fast alle Leistungen im Verbund mit Nachbarsgemeinden erbrachten. Als Einstieg in die Politik war es für mich aber ein Glücksfall. Heute, nach der Fusion, bin ich Gemeinderat der neu fusionierten Gemeinde.
Als klassischer Miliz-Politiker bist du gemeinsam mit deiner Frau mit eigener Firma in der Finanzberatung tätig. Was bedeutet dir diese Arbeit?
Sie bedeutet mir sehr viel und wir sind nun seit 5 Jahren selbständig. Den Wunsch hatte ich schon lange, bis ich den grossen Schritt wagte. Heute geniesse ich die damit verbundene Freiheit, von zu Hause aus arbeiten zu können und die Flexibilität für die politische Arbeit zu haben. Die vielfältigen Beratungsmandate sind sehr spannend, da jede Situation individuell ist und diverse Aspekte von Anlage, über Erbe und Vorsorge, bis hin zu Steuern beinhalten kann.
Vor etwa 6 Jahren hat dich ein Vorfall aus dem Alltag gerissen. Was ist damals passiert?
Wir waren als Familie in Österreich in den Ferien. Auf einem Spielplatz in den Bergen wurde mir dann plötzlich schwarz vor Augen und ich wurde ohnmächtig. Ab diesem Moment habe ich keine Erinnerungen mehr. Man hat mir später erzählt, dass ich eine Lungenembolie hatte, die zu einem Herzstillstand führte. Glücklicherweise konnte der Hüttenwart erste Hilfe leisten. Anschliessend wurde ich mit dem Rettungshelikopter ins Spital geflogen und musste unterwegs erneut reanimiert werden. Im Spital wurde ich für rund einen Tag ins künstliche Koma versetzt.
Du bist also am nächsten Tag auf der Intensivstation aufgewacht. Wie war da dein Zustand?
Ich habe mich eigentlich gut gefühlt! Wenn man plötzlich auf der Intensivstation aufwacht, wäre es wohl normal, Angst zu haben, schockiert zu sein und Fragen zu stellen. Als mir erzählt wurde, was passiert war, schien mir alles bereits bekannt. Ich wusste unbewusst schon, was passiert ist und hatte die innere Gewissheit, dass alles gut kommt.
Haben die Ärzte das auch so gesehen?
(lacht) Nein, gar nicht. Sie suchten nach der genauen Ursache und befürchteten Folgeschäden beispielsweise am Gehirn. Meine Überzeugung, dass alles gut ist, war so stark, dass ich die ganze Aufregung um mich herum erst viel später verstanden habe. Dieser innere Frieden war ein grosses Geschenk in dieser Situation.
«Dieser innere Frieden war ein grosses Geschenk in dieser Situation.»

Eine Lungenembolie mit zweifachem Herzstillstand ist ein einschneidendes Erlebnis. Wie verlief dein Weg zurück in den Alltag?
Der Weg zurück ging nicht sehr lange. Nach vier Tagen wurde ich ins Spital nach Olten überführt. Dort war man überrascht über meinen guten Zustand. Meine Gewissheit hat sich dann bewahrheitet. Statt eines langen Spitalaufenthaltes mit anschliessender Reha war ich acht Tage nach dem Vorfall bereits wieder zu Hause.
Also ging gleich alles weiter wie zuvor?
Nein, das nicht. ich war erschöpft und musste mir eingestehen, dass die Belastung durch Beruf und mein neues Amt als Kantonsrat zu gross und möglicherweise eine Ursache für die Lungenembolie war. Heute mache ich bewusster Pausen, nehme mir trotz vollem Terminkalender Zeit für Sport, Familie und mit Gott.
Du bist nun seit bald sieben Jahren im Kantonsrat. Wie prägt diese Erfahrung deine politische Arbeit?
Ich bin mir nochmals bewusster geworden, wie schnell sich das Leben ändern kann und wie wertvoll unsere Zeit ist. Ich konzentriere mich deshalb auf die Sache und darauf, Lösungen zu suchen. Das Leben ist zu kurz für politische Spielereien.
Du bist der einzige EVP-Vertreter im Solothurner Kantonsrat. Zu welchen Lösungen konntest du bisher beitragen?
Viele Lösungen entstehen abseits der medialen Aufmerksamkeit etwa bei Kompromissen in der Finanzkommission. Sichtbarer sind wir als EVP, wenn wir unsere Schwerpunktthemen aufs politische Parkett bringen können. So wurden beispielsweise Vorstösse gegen Arbeitsausbeutung und Menschenhandel überwiesen. Der Kanton Solothurn muss nun ein Konzept zur Bekämpfung von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung ausarbeiten und das Parlament hat dafür zusätzliche Ressourcen für die Polizei gesprochen. Ein grosser Erfolg war zudem, dass mein Auftrag zur Erhöhung der Familienzulagen von einer Mehrheit unterstützt wurde. Besonders eindrücklich war es ausserdem für mich, als ich in einem Vorstoss forderte, dass Paare, die ein Kind in der Schwangerschaft verloren haben, ihr sogenanntes «Sternenkind» in allen Gemeinden im Kanton bestatten dürfen. Das war eine sehr besondere Debatte im Kantonsrat: Die Zwischengespräche im Saal verstummten, es entstand eine andächtige Atmosphäre und die Parteizugehörigkeit spielte keine Rolle mehr. Der Vorstoss wurde einstimmig überwiesen.
Am 9. März 2025 stehst du zur Wiederwahl. Was erhoffst du dir für die kommende Legislatur?
Zuerst hoffe ich natürlich, dass es gelingt, den Sitz zu verteidigen. Vielleicht dürfen wir ja sogar zu zweit in die neue Legislatur starten. Wir rechnen da auch etwas mit dem «Faktor Wunder». Ich staune oft, wie wir schon mit einem einzigen Sitz das Salz in der Politik sein können und Themen einbringen dürfen, die ohne die EVP fehlen würden. Es wäre genial zu sehen, was wir mit doppelt so vielen Sitzen bewirken könnten!
Vielen Dank André für das Gespräch. Wir wünschen dir viel Erfolg bei den Wahlen und weiterhin gutes Gelingen im Amt.

«Vertrauen» – das Buch von André und Nicole Wyss
Vor rund sechs Jahren erlitt André Wyss eine Lungenembolie und einen zweifachen Herzstillstand. Im Kampf um Leben und Tod fühlt sich die Familie Wyss von Gott getragen. Die aussergewöhnliche Geschichte erzählen sie in ihrem Buch «Vertrauen. Die Kunst, sich Gott ganz hinzugeben. oder Wenn Gott einen Holzsplitter dazu braucht, dich zu retten.» Das Buch kann kostenlos bei André Wyss bestellt werden (andre.wyss@wyance.ch).
Dieser Artikel von Dominic Täubert, Leiter Kommunikation EVP Schweiz, erschien in der Ausgabe 1/2025 des EVP-Mitgliedermagazins AKZENTE.